MORGEN : Statt einer teuren Psychoanalysecouch tut es manchmal auch ein Kinosessel
Dass Kino und Psychoanalyse aufs Engste zusammengehören, verdankt sich nicht nur ihrer parallelen Entstehung. Kaum eine Kunstform kann derart gezielt das Unbewusste ansprechen oder gar manipulieren, zugleich eignet sich der Film vorzüglich, unbewusste Vorgänge darzustellen. Einige Theoretiker wie der französische Antipsychiatriker Félix Guattari haben sogar strukturelle Übereinstimmungen zwischen der Psychoanalyse und dem Kino gesehen. In seinem Pamphlet „Die Couch des Armen“ (1975) beschreibt er Psychonalytiker und Cineasten als „Wesen außerhalb von Zeit und Raum“, als neutrale Schöpfer. Der Verlag b_books hat den Text jetzt zusammen mit zehn interpretierenden Essays wiederveröffentlicht, am Donnerstag wird der Band im Kino Arsenal vorgestellt. Darin diskutieren Kulturwissenschaftler wie Henning Schmidgen, Christiane Voss oder Michaela Wünsch die Thesen Guattaris vor dem Hintergrund ihrer Zeit und fragen, ob sich seine Haltung auf Phänomene wie Youtube anwenden lässt. Wie heißt es doch bei ihm: „Den Platz auf der Couch zahlt man, um sich von der schweigsamen Anwesenheit eines anderen – wenn möglich jemand Vornehmes, jemand, der aus einer deutlich höheren Schicht kommt als du – überfallen zu lassen, während man seinen Platz im Kino zahlt, um sich von jedwedem überfallen und in jedwede Art von Abenteuer hineinziehen zu lassen, bei Begegnungen, die prinzipiell kein Morgen kennen.“ TCB
■ Félix Guattari: Arsenal, Potsdamer Straße 2. Donnerstag, 19 Uhr