: Mit der Muttermilch eingesogen
RECHTFERTIGUNG Lazio Rom spielt heute mit Miroslav Klose um den Verbleib in der Europa League. Unsere Autorin drückt den verhassten Römern die Daumen. Warum eigentlich?
VON FRANCESCA SABATINELLI
Offenbar bin ich ein Faschist. Zumindest glaubt das jeder, dem ich meine Leidenschaft für Lazio Rom gestehe. Das war schon immer so. Die Nordkurve des Stadions ist bekannt für rechte Symbole, für rassistische und antisemitische Chöre. Lazio ist da verwandt mit Hellas Verona, auch so ein Klub mit einer angeblich rein rechten Fangemeinde, die den linken Anhängern von Livorno Calcio und natürlich denen von AS Rom, den Tabellenführern unter den Gegnern, feindlich gesinnt ist.
Spiele zwischen Lazio und Livorno bieten die Bühne für wenig angenehme Auftritte der Fans in den Kurven, die auf der einen Seite keltische Kreuze und Fahnen des Deutschen Reichs, auf der anderen Transparente in den Farben der Sowjetunion und dem Konterfei von Che Guevara zeigen. Da war es sicher nicht gerade hilfreich, einen Spieler wie Paolo Di Canio in der eigenen Mannschaft zu haben, der für das Zeigen des faschistischen Grußes im Stadion berühmt wurde. Der Stürmer wurde dafür 2005 gesperrt. Noch schwerer wog ein Ereignis, das in Deutschland im vergangenen Oktober große Emotionen hervorrief, was die Italiener wiederum verwunderte. Miroslav Klose, seit Sommer bei Lazio, hatte nach etlichen Niederlagen gegen den lokalen Rivalen dem AS Rom mit einem großartigen Tor den K.-o.-Schlag versetzt, da wurde er von den Fans mit dem unzweideutigen Slogan „Klose mit uns“ gefeiert. Dieser bittere Satz erzeugte in Deutschland eine große Erregung, die sich in einer breiten Berichterstattung niederschlug.
Auch der Wechsel von Thomas Hitzlsperger zu Lazio wurde in der deutschen Presse ausgiebig diskutiert. Der Spieler, der bekannt für sein Engagement gegen Rechtsextremismus und Rassismus ist, spielte bei dem Klub mit den angeblich rechten Fans. Darauf angesprochen, meinte der Fußballer lapidar: „Ich werde mich weiter gegen den Rechtsradikalismus und gegen die Diskriminierung von Minderheiten einsetzen.“ Er wolle dazu nicht mehr sagen, weil „ich das Vereins- und Innenleben von Lazio noch nicht kenne.“
Nicht nur in den italienischen Klubs gibt es kleine Gruppen, die die Massen dirigieren – auch wenn es um Gewaltausbrüche in den Stadien geht, die nichts mit Fußball zu tun haben. Bei Lazio fallen immer wieder mit Messern, Eisenstangen und Schraubenziehern bewaffnete Fans auf. Sie gehören zu einem faschistischen Ableger der so genannten „Irriducibili“, der Unbeugsamen. Viele von ihnen stammen aus dem Bürgertum, wohnen in den klassischen Hochburgen der traditionellen römischen Rechten und begegnen einander in den Pubs und an den Treffpunkten der rechtsextremen Partei „Forza Nuova“. Es sind eher kleine Gruppen, die außerhalb der Stadien politisch nicht aktiv sind. Für sie ist es vor allem wichtig, als Anhänger von Lazio erkennbar zu sein. Auch deshalb gelten sie als typische Fans, auch wenn sie nur eine Minderheit von 20 Prozent stellen.
„Die Stigmatisierung des Klubs stört mich“, sagt der Senegalese Ousmane Dabo. Der ehemalige Mannschaftskapitän hat sehr gute Erinnerungen an die Lazio-Fans. „Rassistische Chöre machen mich wütend“, sagt er „Ich habe nie Probleme mit den Fans gehabt, sondern immer ein besonders enges Verhältnis zu ihnen. Wenn du in Rom stark bist, ist das das Entscheidende, egal, ob du schwarz, gelb oder weiß bist.“
Ich selbst war schon immer Lazio-Fan, genauso wie meine Brüder und meine Eltern. Meine Familie ist politisch nicht auf einer Linie. Rechte Überzeugungen hat jedoch keiner von uns. Im Stadion aber gehen wir alle mit den Blau-Weißen mit. Diesen Glauben habe ich mit der Muttermilch eingesogen.
Berühmte Lazio-Fans der Geschichte? Wikipedia, die Enzyklopädie des Absurden, erwähnt Mussolini. Ehrenmitglied und leidenschaftlicher Fan des Vereins war aber auch ein Mitglied des Königshauses Savoyen, Königin Mafalda, die von den Nazis in Buchenwald umgebracht wurde. Und im Übrigen: Der Verein wurde im Jahr 1900 gegründet, vor der Entstehung des Faschismus!
■ Die Autorin ist Gastredakteurin von Radio Vatikan im Rahmen eines vom Goethe-Institut initiierten deutsch-italienischen Journalistenaustauschs