: Protestwähler sind keine Revolutionäre
Die Philippinen rätseln noch, was Senator Trillanes erneut putschen ließ. Seine elf Millionen Wähler ließen ihn allein
MANILA taz ■ Am Dienstag wird es in Manilas Geschäftsviertel Makati von bewaffneten Soldaten wimmeln. Der Grund: Senator Antonio Trillanes, angeklagt wegen Meuterei im Jahr 2003, wird dort vor Gericht aussagen. Und aus ebenjenem Gericht war Trillanes am 29. November einfach rausmarschiert, um den wohl bizarrsten Putschversuch in der philippinischen Geschichte anzuzetteln.
Was an jenem regnerischen Novembertag als Heldenstück begann, endete als Trauerspiel. Es kamen einfach keine Mitkämpfer zu dem von Trillanes und seiner kleinen Gefolgschaft – darunter der wegen Militäraufstands angeklagte General Danilo Lim und Exvizepräsident Teofisto Guingona – besetzten Luxushotel. Nach sieben Stunden gaben die Revoluzzer kleinlaut auf. Präsidentin Gloria Macapagal Arroyo konnte aufatmen.
Seither herrscht Ratlosigkeit im Inselstaat: Was hatte sich Trillanes, der sensationell im Mai aus dem Knast heraus zum Senator gewählt worden ist, eigentlich erwartet? „Ich weiß es auch nicht“, meint Marites Vitug, scharfsinnige Chefredakteurin des Politmagazins Newsbreak. „Vielleicht hat er auf seine elf Millionen Wähler gehofft, aber das war sehr naiv. Wer eine Revolution anzetteln will, geht auf die Straße und verschanzt sich nicht in einem Fünfsternehotel.“
Fakt ist, die Philippinen kommen nicht zur Ruhe. In den letzten 21 Jahren sind bereits zwei Präsidenten – Ferdinand Marcos und Joseph Estrada – durch unblutige Massenaufstände abgesetzt worden. Was aber hat sich dadurch geändert? Für den sogenannten kleinen Mann nichts. Er erlebt weiter, wie sich korrupte Politiker skrupellos bereichern. Er schuftet weiter für ein paar Dutzend immens reiche Familien, die das südostasiatische Land unter sich aufgeteilt haben und ihre Gewinne ins Ausland transferieren. Er muss weiter fürchten, Opfer eines terroristischen Bombenanschlags zu werden. Und der Aktivist, Journalist oder linker Politiker muss befürchten, Ziel eines der nicht selten vom Militär geplanten Attentate zu werden.
Präsidentin Arroyo macht ihren Job nicht besser als ihre Vorgänger. Obgleich das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr bei etwa 7 Prozent liegt, spüren die meisten Filipinos nichts vom Aufschwung. Im Gegenteil, die Lebenshaltungskosten steigen konstant.
Arroyos Skandale reichen von Wahlbetrug über dubiose Deals zugunsten von Kabinettsmitgliedern bis zu generösen Geldgeschenken, die jüngst im Präsidentenpalast im Vorfeld eines Amtsenthebungsverfahrens an Mandatsträger verteilt wurden. Kein Wunder, dass bereits ein knappes halbes Dutzend Mal versucht wurde, sie aus dem Amt zu jagen. Verwunderlich ist, dass es nicht gelingt.
„Ich weiß nicht, was diese Regierung macht. Für uns bleibt immer weniger. Und die Reichen werden immer reicher“, schimpft Edgardo Arceo. Der 56-Jährige ist stolz darauf, dass er im März für Trillanes gestimmt hat. „Aus Protest gegen Arroyo und die ganzen korrupten Politiker“, sagt er zornig. Dem Aufruf des Senators zum Aufstand sei er dennoch nicht gefolgt: „Ich bin als Fahrer angestellt. Wenn ich einfach verschwinde, verliere ich meinen Job. Und dann?“ So spricht kein Revoluzzer. Aber so dürfte die stumme Mehrheit denken.
Im gleichem Maß, in dem Unzufriedenheit und Armut wachsen, scheint die Kraft für eine weitere Revolution zu schwinden. Um Massen wie gegen Marcos oder Estrada auf die Straße zu bringen, muss ein einheitlicher Wille zur Veränderung spürbar sein. Und es muss ein Anführer da sein, der die Massen mobilisieren kann. Beides war nicht der Fall an jenem verregneten Novembernachmittag. Deshalb wird auf den Philippinen wohl erst mal alles beim Alten bleiben. HILJA MÜLLER