: „Eurobonds nicht vom Tisch“
SCHULDEN Kanzlerin Angela Merkel halte nach Krisengipfel Anleiheoption offen, sagt EU-Experte Josef Janning
■ Der 55-Jährige ist Forschungsdirektor des European Policy Centre in Brüssel. Er gehört zu den wenigen deutschen Experten, die auch ein Scheitern der EU nicht ausschließen.
INTERVIEW ERIC BONSE
taz: Herr Janning, der Euro ist auch nach dem EU-Krisengipfel unter Druck. War der Gipfel ein Misserfolg?
Josef Janning: Nein, das Treffen markiert schon eine Zäsur. Deutschland hat erkannt, dass es die Macht im System nicht dauerhaft halten kann und dass es einen neuen EU-Vertrag braucht, um seine Position zu sichern. Frankreich hat sich weitgehend angeschlossen und sein Spielmaterial ad acta gelegt, etwa die Eurobonds.
Sind Eurobonds damit endgültig vom Tisch?
Nein. Angela Merkel hat sich, vielleicht unbeabsichtigt, in die Karten schauen lassen. In ihrer Bundestagsrede erklärte sie, solange es keine strikte Haushaltskontrollen in der Eurozone gibt, seien Eurobonds ausgeschlossen. Das zeigt, dass sie sich eine Hintertür offen hält. Offenbar gibt es da Linien, die sich mit den Überlegungen in Frankreich schneiden. Der EU-Gipfel hat den Einstieg in die Schaffung der Voraussetzungen für Eurobonds gebracht. Ein neuer Vertrag muss jedoch zunächst vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben.
Sie rechnen mit einer Klage?
Ja, Bundestagspräsident Norbert Lammert hat ja schon den Bleistift gespitzt. Offenbar macht er sich Sorgen wegen der neuen Budgetkontrollen. Nach dem neuen Vertrag soll das Budget bereits vor seiner Verabschiedung durch den Bundestag nach Brüssel zur Überprüfung geschickt werden. Das trifft im Gegensatz zu bisher nicht nur die Schuldensünder, sondern auch Deutschland. Denn ein System nur für Ausreißer kann auf Dauer nicht funktionieren.
Hilft die neue Fiskalunion wenigstens bei der Lösung der aktuellen Probleme in der Eurozone? Die viel beschworene Bazooka kommt ja nicht …
Nein. Die Idee der Bazooka war, die Unsicherheit an den Märkten mit Masse totzuschlagen. Doch die ursprünglich geplante Billion für den Eurorettungsschirm kommt nicht mehr zustande. Das wird in der EU nicht mehr gewollt oder ist rechtlich nicht machbar. Auch eine massive Intervention am Anleihenmarkt wird es nicht geben. Die Europäische Zentralbank hat nun einmal nicht dasselbe Mandat wie die US-Notenbank …
… man hätte das Mandat ja ändern können, wenn man schon einen neuen Vertrag schreibt.
Ja, aber Deutschland wollte nicht so weit gehen. Deutschland wird allenfalls punktuelle Interventionen der EZB tolerieren. Allerdings gehe ich davon aus, dass man in Berlin jetzt etwas pragmatischer wird. So sehen dies auch die meisten EU-Länder. Für sie machen die Entscheidungen auf diesem Gipfel nur Sinn, wenn die EZB bereit ist, kurzfristig mehr Geld zu mobilisieren, um den Euro zu retten.
Heißt das, dass nun die EZB an der Reihe ist, wenn es an den Märkten wieder zu Turbulenzen kommt?
Ja, genau. Im Februar und März steht in vielen Euroländern wie Italien, Spanien und Frankreich eine massive Umschuldung an. Hier muss die EZB zur Not eingreifen. Brüssel hat geliefert, nun ist Frankfurt am Zug. EZB-Chef Mario Draghi ist in der Pflicht.