: Nervöser Puls Hyperaktiver
Rund zwölf Jahre schon gibt es jetzt Hyperactive Kid, ein Trio in der eher unüblichen Besetzung Saxofon, Gitarre und Schlagzeug. Zusammengefunden hatte man sich 2003 und dann gemeinsam drei Alben veröffentlicht. Vor Kurzem schließlich erschien der Mitschnitt eines Jubiläumskonzerts im Berliner A-Trane aus dem Winter 2013 unter dem Titel „10 Year Anniversary Live“. Die eigentliche Feier liegt also schon etwas zurück, Anlass zur Rückschau bietet das Album aber allemal.
Der Saxofonist Philipp Gropper, Gitarrist Ronny Graupe und Schlagzeuger Christian Lillinger bewegten sich bei der Gründung ihres Trios noch in einer wenig sichtbaren Nachwuchsjazzer-Gemeinde. In Berlin versammelten sich zwar mehr und mehr jüngere Jazzmusiker, doch geschah dies überwiegend unter Ausschluss einer größeren Öffentlichkeit. In der Zwischenzeit hat sich einiges getan. So gründete sich 2007 als freier Musikerverbund das Jazzkollektiv Berlin, dem sowohl Gropper als auch Graupe angehören, man veranstaltet seitdem regelmäßig Festivals. Lillinger avancierte zu einem der gefragtesten jüngeren Jazzschlagzeuger Deutschlands. Jeder der drei „Hyperaktiven“ leitet zudem eine eigene Band.
Hyperactive Kid bieten auf „10 Year Anniversary Live“ fünf selbst verfasste Stücke, zwischen 6 und 17 Minuten lang. In den offenen Improvisationen bewegen sich die Musiker durch verschiedene Idiome hindurch, lassen lyrisch-ruhige Passagen mitunter in Freiform-Ausbrüche überwechseln, auch die Rollen der einzelnen Spieler verändern sich schon mal im Lauf einer Nummer. Durch den „fehlenden“ Bass ist die Aufgabenverteilung des Trios flexibler, Saxofon und Gitarre umkreisen einander im einen Moment, gehen kurz später aufeinander los. Und das Schlagzeug vernachlässigt seinen nervösen Puls mitunter, um kraftvoll dazwischenzufahren.
Auch zehn Jahre nach ihrer Gründung haben Hyperactive Kid nichts von ihrer quecksilbrigen Dynamik verloren, vielmehr zeigen sie vorbildlich, dass man, um energisch zu sein, nicht permanent bei maximaler Lautstärke operieren muss. Manchmal entwickeln sie die Dinge ganz behutsam. „Sound to Groove“ etwa beginnt mit scheinbar strukturlos vor sich hin stolpernden Stakkato-Tönen, um aus diesen versprengten Molekülen den titelgebenden Groove entstehen zu lassen. Das hyperaktive Kind, das die Musiker gemeinsam bilden, ist erwachsener geworden. Doch die spontane Entdeckungsfreude ist immer noch vorhanden.
TIM CASPAR BOEHME
■ Hyperactive Kid: „10 Year Anniversary Live“ (WhyPlayJazz)