An der Macht: Argentiniens „energische Lady“

Cristina Fernández de Kirchner ist ins Amt eingeführt. Argentiniens neue Präsidentin führt die Politik ihres Mannes fort

BUENOS AIRES taz ■ In Argentinien ist am Montag Cristina Fernández de Kirchner in das Amt der Präsidentin eingeführt worden. Nach der Vereidigung im Kongress wurde ihr die Präsidentenschärpe und der Stab von ihrem Amtsvorgänger und Ehemann Néstor Kirchner übergeben. Die 54-jährige hatte die Wahl am 28. Oktober mit 45,3 Prozent der Stimmen bereits im ersten Wahlgang gewonnen. Cristina Kirchner hat angekündigt, die erfolgreiche Politik ihres Mannes fortsetzen zu wollen. Von ihren 14 Ministern gehörten 7 bereits der vorherigen Regierung an.

In Argentinien wächst die Wirtschaft seit Néstor Kirchners Amtsantritt im Mai 2003 regelmäßig um rund 9 Prozent. Die Arbeitslosenquote sank nach offiziellen Angaben in den vergangenen vier Jahren von 25 auf knapp unter 9 Prozent. Der Anteil der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze ging von rund 45 Prozent auf knapp ein Viertel zurück. In der Sozial- und Wirtschaftspolitik ist deshalb keine Änderung zu erwarten.

Der große Unterschied zwischen Cristina und ihrem Mann ist in erster Linie der Umgangsstil. Néstor Kirchner ist ein eiserner und sturer Verhandlungspartner, der es sich bei vielen internationalen Repräsentanten verdorben hat. Cristina dagegen ist keine eiserne, sondern eine energische Lady. Und im Gegensatz zu ihrem Mann hat sie bei Verhandlungen das nötige Fingerspitzengefühl. Das jetzt auch dringend ist nötig.

2008 ist eine Schuldenrückzahlung an den Pariser Club von rund sechs Milliarden US-Dollar fällig. Argentinien will eine Stundung der sechs Milliarden erreichen. Die Rückzahlung soll auf drei bis vier Jahre verteilt werden, ohne zusätzliche Zinsen. Jedoch verlangt der Club wie von jedem Schuldner ein Gutachten des Internationalen Währungsfonds (IWF). Diese Gutachten enthalten auch immer wirtschaftspolitische Empfehlungen, deren Umsetzung der Club vom Schuldner stillschweigend erwartet. Deshalb hat die bisherige Kirchner-Regierung ein Gutachten durch den IWF kategorisch abgelehnt. Dafür, so die Überlegung, habe sich das Land Ende 2005 durch die vorzeitige Rückzahlung der gesamten IWF-Schulden nicht von diesem „Monster“ befreit.

Aber nicht nur Argentinien hat eine neue Präsidentin, auch beim IWF steht mit dem Franzosen Dominique Strauss-Kahn ein neuer Mann an der Spitze. Beide wollten bereits am Dienstag in Buenos Aires zusammenkommen. Die Ausgangslage für Argentinien ist eine völlig andere als noch vor drei oder vier Jahren. Gegenwärtig steckt der IWF in der Krise und nicht die Regierung am Río de la Plata. Nach Auffassung des Politologen Eduardo Vior wird Cristina Kirchner versuchen, vom IWF ein neutrales Gutachten über Argentinien zu bekommen, ohne die wirtschaftspolitischen Empfehlungen. Damit könnte sie dann die Verhandlungen mit dem Pariser Club aufnehmen.

Für Eduardo Vior ist eine Einigung mit dem Pariser Club der Dreh- und Angelpunkt für die weitere wirtschaftliche Entwicklung des Landes. „Gelingt es Argentinien, mit dem Pariser Club eine Einigung zu erzielen, ist das Land international wieder kreditwürdig. Dann könnten wir wieder Kredite auf den internationalen Finanzmärkten aufnehmen und die dringend notwendigen Investitionen vor allem im Infrastrukturbereich vornehmen,“ so Vior.

Wichtig ist eine Einigung für Argentinien auch wegen des strukturellen Energiedefizits. Nicht nur die steigende Nachfrage durch das hohe Wirtschaftswachstum hat zur Energieknappheit geführt, sondern vor allem die ausgebliebenen Investitionen der großen privaten Energieunternehmen. Dazu kommt die politische Krise in Bolivien, die den Bau neuer Gasleitungen für den Import von Gas aus dem Nachbarland blockiert. Schon jetzt hemmt der Energiemangel das Wachstum.

JÜRGEN VOGT