: Knast light für Jugendliche
Die Bürgerschaft streitet über ein neues Hamburger Strafvollzugsgesetz. Im Mittelpunkt der Kritik an Senator Lüdemanns Entwurf stehen das Jugendstrafrecht und die Reduzierung des offenen Vollzugs
Von ELKE SPANNER und SVEN-MICHAEL VEIT
Als „falsch und schädlich“ hat der SPD-Rechtspolitiker Rolf-Dieter Klooß den Senatsentwurf für ein Strafvollzugsgesetz bezeichnet. In der ersten Lesung der Vorlage in der Bürgerschaft kritisierte Klooß gestern, „das Gesetz konterkariert das Ziel, für mehr Sicherheit zu sorgen“. Zudem verstoße die gemeinsame Regelung des Strafvollzuges für Erwachsene und Jugendliche gegen das Grundgesetz: „Es entspricht nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.“
Im vergangenen Jahr hat das Bundesverfassungsgericht ein eigenständiges Gesetz für Jugendliche im Gefängnis verlangt. Bisher sind jungen Kriminellen im Strafvollzugsgesetz nur einzelne Passagen gewidmet – die Haftbedingungen sind in schlichten Verwaltungsvorschriften festgelegt. Das reicht nicht, befanden die Karlsruher Richter: Junge Kriminelle bräuchten keine „Light-Version“ des Erwachsenenvollzuges, sondern Haftbedingungen, die auf ihre spezielle Situation eingehen.
Bei der Föderalismusreform ist die Ausgestaltung dieser Vorgaben zur Ländersache geworden. Der Befürchtung, dass es nun zu einem Wettbewerb um den billigsten und härtesten Vollzug kommen könnte, versuchen neun Bundesländer durch gemeinsame Regelungen entgegenzutreten. Hamburg hat dabei nicht mitgemacht.
Im Gegenteil geht der Stadtstaat inhaltlich einen Sonderweg: Justizsenator Carsten Lüdemann (CDU) will die Regelungen zum Jugend- und Erwachsenenstrafvollzug in ein Gesetz schreiben. Im Zuge dessen wird auch der Erwachsenenvollzug reformiert. So wird im Hamburger Entwurf dem Sicherheitsgefühl der Bürger Vorrang vor der Resozialisierung der Täter eingeräumt. Auch wird der geschlossene Vollzug zum Regelfall erklärt.
Bereits die Berufsverbände haben Lüdemanns Entwurf scharf kritisiert. „Er ist verfassungswidrig, und Hamburg isoliert sich mit diesem Entwurf völlig von der bundesweiten Qualitätsentwicklung im Strafvollzug“, monierte etwa der Vollzugsexperte Bernd Maelicke bei der Sitzung des Rechtsausschusses im August. Richterverein und Hanseatische Rechtsanwaltskammer kritisierten, dass der geschlossene Vollzug zur Regel werden soll. Nur durch eine optimale Betreuung in Haft und eine gute Resozialisierung könnten zukünftige Straftaten vermieden werden.
Für die Union hatte gestern zu Beginn der Debatte Rechtspolitiker André Trepoll behauptet, seine Fraktion wolle „dem Opferschutz und der Sicherheit der Bediensteten im Strafvollzug Priorität einräumen“. Deshalb sei es notwendig, „dass der geschlossene Vollzug zum Regelvollzug wird“. Wer das wie die Opposition ablehne, „entwickelt sich zu einem Sicherheitsrisiko“.
Die geplanten Einschränkungen bei Vollzugslockerungen seien „unsinnig“, kritisierte der grüne Justizpolitiker Till Steffen. „Wer ins Gefängnis kommt, kommt auch wieder heraus“, sagte Steffen, und darauf müssten Gefangene vorbereitet werden. Denn ohne „qualifiziertes Entlassungsmanagement“, so SPD-Innenpolitiker Andreas Dressel, könne der Senat für Strafentlassene „gleich die Rückfahrkarte in das Gefängnis buchen“.
In zweiter Lesung wird der Gesetzentwurf heute erneut debattiert und wahrscheinlich von der CDU-Mehrheit beschlossen werden. SPD und GAL kündigten an, dass eine rot-grüne Koalition nach einem Wahlsieg im Februar 2008 das Gesetz sofort wieder ändern „und verfassungsgemäß gestalten wird“.