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Archiv-Artikel

Neuer Kapitän für Superhafen

Rettungsplan für den Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven: Um das Milliardenprojekt vor weiterer Schieflage zu bewahren, wollen Bremen und Niedersachsen die Führungsspitze neu besetzen. Die Hafengesellschaft sei wie gelähmt heißt es

RUSSEN IN WILHELMSHAVEN

Am Tiefwasserhafen in Wilhelmshaven sollen bis zu 400 Meter lange Containerschiffe mit einem Tiefgang von bis zu 18,50 Metern anlegen können. Schiffe dieser Größenordnung würden ihre Ladung – rund 12.000 Standard-Container – ansonsten in Rotterdam oder Antwerpen löschen. Am 1.700-Meter-Terminal sollen vier der Schiffsgiganten gleichzeitig anlegen können. Der Jade-Weser-Port soll jährlich etwa 2,7 Millionen Standard-Container umschlagen. Betreiber wäre die hamburg-bremische Eurogate, die 350 Millionen Euro investieren will. Am Donnerstag einigte sich Eurogate auf eine Überkreuzbeteiligung mit dem russischen Hafenbetreiber NCC: Dieser soll Optionen auf ein Fünftel des Eurogate-Anteils am Jade-Weser-Port erhalten. Im Frühjahr 2001 hatten sich Niedersachsen, Bremen und Hamburg auf den Bau des Hafens geeinigt, Hamburg stieg 2002 aus. Bremen und Niedersachsen wollen 600 Millionen Euro für das Projekt zahlen.  KSC

VON KAI SCHÖNEBERG

Um das größte Infrastrukturprojekt des Nordens zu retten, sollen jetzt die Köpfe rollen: Ab sofort ziehen Niedersachsen und Bremen die von ihnen bestellten Geschäftsführer bei der Jade-Weser-Port Realisierungsgesellschaft (JWP) zurück. Statt der uneffektiven Doppelspitze soll künftig ein Kapitän die Geschicke des ins Schlingern geratenen Tiefwasserhafens lenken. Bis Bremen und Niedersachsen „einvernehmlich“ den neuen Chef gefunden haben, soll ein externer Fachmann die in Schieflage geratene JWP in Wilhelmshaven lenken. „Wir dürfen nicht zulassen, dass das Projekt durch die derzeitigen Diskussionen weiter Schaden nimmt“, begründete Bremens Hafensenator Ralf Nagel (SPD) am Freitag seinen Vorschlag, die JWP neu aufzustellen.

Es sei „dringend erforderlich, jetzt Weichenstellungen vorzunehmen“, sagte Nagel. Am Dienstag soll der Rettungsplan für den eine Milliarde Euro teuren Hafen im Aufsichtsrat beschlossen werden. Harte Nuss für Niedersachsen: Der wegen Einflussnahme für den Baukonzern Hochtief unter Beschuss geratene Bremer Geschäftsführer der JWP, Jürgen Holtermann, der auch Chef der Bremer Hafengesellschaft Bremenports ist, soll in den Aufsichtsrat wechseln. Nagel will die personelle Neuaufstellung schon mit seinem niedersächsischen Amtskollegen Walter Hirche (FDP) besprochen haben. Der Vertrag von Holtermanns Ko-Geschäftsführer, der von Niedersachsen bestellte Helmut Werner, läuft ohnehin im kommenden Frühjahr aus.

Der Superhafen, an dem riesige Containerschiffe anlegen können, ist wegen Missmanagement, juristischer Streitereien und Polit-Hickhack im Vorfeld der Wahl in Niedersachsen ins Trudeln gekommen. Angeblich „passiert bei der Realisierungsgesellschaft derzeit überhaupt nichts mehr – die sind wie gelähmt“, sagt der Hafen-Experte.

Eigentlich sollte schon 2006 der Hafenbau beginnen. Die wirtschaftlich sieche Region am Jadebusen wünscht sich sehnlichst den ersten Rammschlag – und die 1.000 erwarteten neuen Jobs. Doch mittlerweile wird die versprochene Inbetriebnahme Ende 2010 nur noch als „Ziel“ angesehen. „2010 ist höchstens ein Anleger für die Bauschiffe fertig“, sagt ein Insider, der anonym bleiben will. Der Bau dürfte nicht vor Herbst 2008 beginnen. Dadurch drohen EU-Fördermittel bis zu 50 Millionen Euro zu verfallen.

Vor einer noch nicht terminierten Entscheidung des Lüneburger Oberverwaltungsgerichts über Klagen von Umweltschützern wird es keinen ersten Rammschlag geben, weitere Verfahren könnten die Sandentnahme im Jadebusen erheblich verzögern. Aus dem juristischen Streit darüber, welche Baufirma den Zuschlag für einen 480 Millionen Euro schweren Bauauftrag für den Hafen bekommt, ist mittlerweile ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss geworden: Er soll herausfinden, ob die Politik beim Vergabeverfahren die von Bremen bevorzugte Baufirma Hochtief mitgemischt hat. Im Verlauf der Ausschuss-Sitzungen hatten sich die beiden Geschäftsführer Werner und Holtermann zudem in der Frage über angeblich unterdrückte Gutachten über die Angebote von Hochtief und die letztlich siegreiche Bietergemeinschaft Bunte widersprochen. Bunte, das nach einer weiteren Gerichtsentscheidung den Super-Hafen bauen soll, pocht derzeit auf die Übernahme von Mehrkosten in Höhe von rund 50 Millionen Euro wegen angezogener Stahlpreise.

Offiziell wird noch verhandelt. Intern droht Bunte aber bereits damit, den Preisaufschlag gerichtlich durchzusetzen, weil die Gesellschafterländer für die Verzögerung verantwortlich wären. Auch der Hafenbetreiber Eurogate klagt: Verzögerungen würden die Vermarktung des Hafens behindern.

„Um den Karren aus dem Dreck zu ziehen, müssen wir jetzt handeln“, heißt es aus dem Bremer Hafenressort. Die Neuaufstellung der Hafen-Spitze sei ein Schuldeingeständnis der Niedersächsischen Landesregierung, sagt der grüne Obmann im Untersuchungsausschuss, Enno Hagenah. „Nur scheinbar räumen sie die Scherben weg“,sagt Hagenah. Der Ausschuss werde das Auftrags-Gemauschel trotzdem aufdecken.

Der kommende Montag bietet dazu Gelegenheit. Dann tritt der einstige JWP-Hafenplaner Wolf-Dietmar Starke in den Zeugenstand. Er soll auf Druck Holtermanns im April geschasst worden sein, weil er das Angebot von Bunte bevorzugte.