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Archiv-Artikel

Marco darf nach Hause

17-jähriger Deutscher nach acht Monaten U-Haft in der Türkei freigelassen. Prozess wird aber fortgesetzt

ISTANBUL taz ■ Nach knapp acht Monaten Untersuchungshaft ist am Freitag der 17-jährige Deutsche Marco W. aus dem Gefängnis im türkischen Antalya entlassen worden. Das Gericht gab am Nachmittag dem Antrag seiner Anwälte, den Schüler gegen Kaution auf freien Fuß zu setzen, statt. Marco wurde ohne Auflagen freigelassen und kann nun auch nach Deutschland ausreisen. Der Prozess wird allerdings weitergehen. Das Verfahren soll im April 2008 fortgesetzt werden.

Marco wird von der 13-jährigen britischen Schülerin Charlotte der versuchten Vergewaltigung beschuldigt. Die U-Haft hatte sich auch deshalb so lange hingezogen, weil bei vorangegangenen Gerichtsterminen immer Charlottes Aussage fehlte. Marcos Anwälte hatten schon bei den früheren Terminen Freilassung gegen Kaution gefordert, weil ihr Mandant nicht dafür verantwortlich sei, dass das Gericht nicht schneller in der Lage war, die Aussage aus England zu beschaffen.

Über Details der Beschuldigung ist nach Aussage der Anwälte auch am Freitag noch nicht gesprochen worden, obwohl die Aussage des Mädchens nun endlich vorlag. Während der Vertreter Charlottes 15 Jahre Haft fordern will, weil Marco seine Urlaubsbekanntschaft sexuell missbraucht habe und die englische Familie auf einer harten Strafe bestehe, behaupten Marcos Anwälte, auch aus der Aussage Charlottes lasse sich eine solche kriminelle Handlung nicht ableiten.

Der Prozess gegen Marco hatte vor allem wegen der unangemessen langen Dauer der U-Haft zuletzt die deutsch-türkischen Beziehungen belastet. Etliche deutsche Politiker hatten die türkische Regierung aufgefordert, für Marcos Freilassung zu sorgen. Andernfalls müsse die Türkei damit rechnen, dass die Verhandlungen über ihren EU-Beitritt negativ tangiert würden. Auf diese Drohungen hatte man in der Türkei verärgert reagiert und darauf hingewiesen, dass die EU immer betone, wie wichtig die Unabhängigkeit der Justiz sei.

Daraufhin wurde verstärkt hinter den Kulissen verhandelt. Auf allen Ebenen, hieß es aus deutschen diplomatischen Kreisen, habe man geredet und der türkischen Seite auch klarzumachen versucht, wie wichtig es für Marco und seine Eltern wäre, wenn sie Weihnachten zusammen feiern könnten. Es war wohl auch kein Zufall, dass aus Deutschland in der letzten Woche zwei hochrangige PKK-Funktionäre an die Türkei ausgeliefert wurden.

In der Türkei war in den letzten Wochen immer wieder darauf hingewiesen worden, dass der Prozess dem Tourismus schade und vor allem die Anzahl der Besucher aus Deutschland erheblich sinken könnte.

JÜRGEN GOTTSCHLICH