KOMMENTAR: KLAUS IRLER ÜBER DIE SPIELPLANWAHL AM THALIA
: Lektion in Sachen Internet

Es ist nicht zu erwarten, dass die ausgewählten Stücke tatsächlich als abendfüllende Premieren im Großen Haus laufen

Es ist ein sauberes Eigentor, das sich das Thalia-Theater da geschossen hat. Per Internet-Voting und per Brief sollten die Menschen abstimmen über die Zusammensetzung des Spielplans 2012/13. Vier von acht Neuinszenierungen sollten sie auswählen – genug, um für den Ruf und die Auslastung des Thalia-Theaters ein ernsthaftes Problem zu werden.

Thalia-Intendant Joachim Lux und Chefdramaturg Carl Hegemann wollten einen Beitrag leisten zur Debatte um eine angeblich elitäre, das Publikum verfehlende Haltung der Theater. Bestätigt haben sie lediglich eine Binsenweisheit der Internet-Nutzung. Die lautet: Ein internet-basiertes Voting hat nichts mit direkter Demokratie zu tun. Abstimmungen im Internet verselbständigen sich. Im Falle des Thalia haben nicht die eigenen Zuschauer das Ergebnis bestimmt, sondern internetaffine Freundeskreise. Nur so kann es sein, dass ein obskures Theaterprojekt eines unbekannten Autorentrios das Rennen macht. Und auch die zwei angestaubten Dramen von Dürrenmatt und Wilder hatten offenbar einen Einzelunterstützer, der der Wahl seinen Stempel aufdrückte.

Wohlweislich hat die Thalia-Leitung darauf hingewiesen, man behalte sich die Art der Inszenierung vor – denkbar ist also auch, die Stücke in Nebenspielstätten oder als Kurzversion im Vorprogramm zu bringen. So wird es auch kommen. Denn das Thalia-Theater mit seinen rund 1.000 Plätzen im Großen Haus kann sich keine leeren Ränge leisten – und Intendant Lux wird den Teufel tun, wegen dieser verunglückten Aktion seinen Job zu riskieren.