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Archiv-Artikel

Zähe Beweisaufnahme

FRÜHCHENTODE Der erste Sachverständige im Untersuchungsausschuss zum Bremer Klinikskandal äußerte sich nicht zu Versäumnissen – aber zu sinnvollen Reformen

Der Skandal

■ Drei Frühgeborene sterben zwischen dem 8. August und dem 27. Oktober auf der Neonatologie des kommunalen Klinikums Bremen-Mitte an einer Infektion mit dem sogenannten Klebsiella-Krankenhauskeim.

■ Zwölf weitere Frühchen hatten sich infiziert, überlebten aber.

■ Ein Zwischenbericht des Robert-Koch-Instituts konnte nicht beantworten, ob dem zwischenzeitlich gekündigten, damals zuständigen Chefarzt ein Vorwurf zu machen ist. Seine Entlassung hatte heftige Kritik ausgelöst.

VON CHRISTIAN JAKOB

Seit Wochen wird darüber diskutiert, ob der Tod von drei Frühchen im Klinikum Bremen-Mitte durch sogenannte ESBL-Keime der Gattung Klebsiella hätte verhindert werden können – und ob die fristlose Entlassung des zuständigen Chefarztes Hans-Iko Huppertz gerechtfertigt war. Am Montag nun nahm dazu ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss die Arbeit auf. Doch die Beweisaufnahme im Bremer Hygiene-Skandal gestaltet sich zäh.

„Die Keime sind ganz klar ein Problem in allen Krankenhäusern“, sagte der als Sachverständige geladene Präsident der Gesellschaft für Neonatologie und pädiatrische Intensivmedizin, Egbert Herting aus Lübeck. Dies gelte besonders für Frühgeborene: Deren Haut sei „papierdünn“, so Herting, das Immunsystem noch nicht ausgeprägt. Rund ein Drittel aller Frühgeborenen, die bei der Entbindung weniger als 750 Gramm wiegen, sterben demnach noch im Krankenhaus, ein weiteres Drittel weist schwere Behinderungen auf.

Unklar sei, wie viele der Todesfälle sich auf Infektionen mit Krankenhauskeimen durch unsaubere Hände zurückführen lassen: Dieser Infektionsweg war im Zusammenhang mit den Bremer Todesfällen diskutiert worden. „Das kann man nicht methodisch sauber beantworten“, so Herting.

Immer wieder versuchten die Abgeordneten, Egberts Expertise für die Aufklärung des Bremer Skandals nutzbar zu machen. Aber der Professor sperrte sich. Konkrete Aussagen über erforderliche Personalschlüssel, Hygienemaßnahmen oder Meldeverpflichtungen lehnte er ab, blieb stets im Ungefähren oder verwies auf das für Krankenhaushygiene zuständige Robert-Koch-Institut. Mögliche Versäumnisse in der Bremer Klinik kann der Ausschuss mit seiner Aussage wohl nicht aufdecken.

Dafür verteidigte Herting die Anwesenheit von Eltern auf den Frühchenstationen: „Die Keime der Eltern sind nicht das Problem.“ Kritisch hingegen sei der Gebrauch von Antibiotika zu sehen: „Es gibt da Zusammenhänge mit Infektionen und es gibt Resistenzen.“

Mit dem aus Australien importierten, pauschalen Abrechnungs-System nach sogenannten „Diagnosis Related Groups“ sei man „nicht unbedingt glücklich“, so Herting weiter. Das sehe zwar in Deutschland bis zu 150.000 Euro für die Versorgung eines Frühgeborenen vor. „Aber wenn man eine qualitativ hochwertige Versorgung anbietet, dann wird dieses Geld auch schnell ausgegeben.“

Gleichwohl wollte der Grünen-Abgeordnete Björn Fecker wissen, ob die Krankenhäuser nicht ein wirtschaftliches Interesse an den Frühchen haben könnten. „Das ist keine Diskussion, die uns gut tut“, sagte Herting. Die bundesweit sehr genau beobachteten Zahlen wiesen „keine Sprünge nach oben auf“. Es gebe „keinen Trend zur frühzeitigen Entbindung, um Geld zu verdienen“, sagte Herting.