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Archiv-Artikel

Lifestyle-Accessoire Latein

betr.: „Die Vermessung der Weltsprache“, taz vom 10. 12. 07

Ach ja. Wer am Gymnasium arbeitet, kennt die Lobeshymnen auf das Lateinische. Die kommen, wie auch im taz-Artikel, von Lehrern und Professoren. Schülerstimmen zitiert Anne Haeming nicht.

Die klingen meist anders als Professor Stroh, denn das Schlimme an den Römern ist ja nicht nur ihre Liebe zum Krieg, noch viel mehr sind es die vielen Formen der Grammatik, die Lateinlerner büffeln müssen. Viele Kinder scheitern daran und müssen wegen Latein ein Jahr wiederholen oder sogar das Gymnasium verlassen. Die anderen wenden, wie Eltern immer wieder versichern, bis zu 80 Prozent ihrer gesamten häuslichen Vorbereitung für das Lateinische auf. Ist das eine Sprache wert, die außer emeritierten Professoren und 80-jährigen Päpsten niemand mehr spricht?

Lateinkenntnisse mögen das Erlernen der lebenden europäischen Sprachen erleichtern, aber da die meisten Schüler außer Englisch und Latein keine weitere Sprache mehr erlernen, klingt dieses Versprechen merkwürdig hohl. Latein mag zum Trend der neuen Bürgerlichkeit passen, ein Lifestyle-Accessoire wie die Klavierstunde, mit dem man sich vom Pöbel absetzen kann. Übrigens bezweifelte Ex-Lateinschüler George Orwell, dass Altphilologie in der Schule ohne Prügel wirklich funktioniert. Vielleicht ist das die Erklärung dafür, dass viele glauben, der gegenwärtige Papst werde er Letzte sein, der noch Latein sprechen könne. MANUEL HAAS, Gars am Inn