Die freie Szene ringt um Wahrnehmung

DARSTELLENDE KUNST Als in erster Linie zerstritten ließ sich Bremens Performing-Arts-Szene bislang wahrnehmen – wenn überhaupt: Mit einem Landesverband probt man nun den gemeinsamen Auftritt, und hofft in der Folge mehr Zuwendung durch die Politik zu bekommen

Was lange nicht gärte, lässt trotzdem die Korken knallen: Die Off-Theater-Szene Bremens hat sich bundesweit als letzte in einem Landesverband Freie Darstellende Künste (LAFDKB) organisiert, 54 Mitglieder hat er bereits.

Und die waren nach eigenem Bekenntnis selbst überrascht, wie viele KollegInnen sie dank der Vereinsgründung bereits kennen gelernt haben, von deren Wirken in der Hansestadt nicht nur sie selbst bisher nichts gewusst oder mitbekommen hatten. Viele, viele frei arbeitende, also ihr künstlerisches Wirken selbsttätig finanzierende Theaterschaffende, angewiesen auf Ticketverkäufe, Sponsoren, Fördertöpfe, Stiftungen, Brotjobs nebenher und bundesweite Auftrittsmöglichkeiten.

Da Bremens Ressourcen in Sachen Finanzen, ZuschauerInnen, Medienaufmerksamkeit, Proberäumen für diese Szene klein sind, galt sie als „Haifischbecken“. Aus Existenzangst regierte Einzelkämpfertum.

Auch deswegen war 2012 der Bundesverband Freier Theater mit seiner Jahrestagung nach Bremen gekommen, um wenigstens gemeinsame Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit zu initiieren. Klappte aber nicht, obwohl doch gerade im Zwei-Städte-Staat das Zusammenraufen einfach zu organisieren wäre. Und, obwohl vielfach auch in Bremen die Sehnsucht vom neidlosen Miteinander artikuliert wurde.

Selbst Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz (SPD) war ratlos, keinen Ansprechpartner zu haben. Behördenversuche, Zahlen, Daten, Fakten von den KünstlerInnen und Kollektiven zu kriegen seien gescheitert, weil sie „als Spionagemaßnahme missverstanden“ worden seien.

An der ablehnenden Haltung ist die Kulturpolitik nicht unschuldig, da sie immer weniger überlebenswichtige Projektmittel bereitstellt, die nur bei günstiger Haushaltslage auch ausbezahlt werden. Zudem entscheidet nicht mehr eine Fachjury über die Anträge, sondern die Kulturdeputation.

Doch rechtzeitig zur Bürgerschaftswahl ist dann doch noch ein Zusammenschluss geglückt. Die vielen, von ihnen vielfach zum Blühen gebrachten Nischen sollen jetzt sichtbar, Diskrepanzen in Sachen Unterstützung deutlich gemacht werden: Momentan fließen über 90 Prozent der staatlichen Theaterfördermittel in die institutionalisierten Bühnen. Folge: Die freie Szene nimmt oft, kaum ist sie in Bremen angekommen, schnell wieder Reißaus.

„Um zu zeigen, was wir können“, will nun der neue Verband laut Vorstandsmitglied Hans König ein „Großprojekt mit möglichst vielen Beteiligten“ anpacken. Er bewertet die Reaktion aus dem Kulturressort als erfreulich: So soll wieder eine Fachjury zur Mittelvergabe eingesetzt und ein Projektmittelposten in den Kulturhaushalt eingestellt werden.  JENS FISCHER