Geschützte Selbstgespräche

MORDFALL Bundesgerichtshof verbietet Verwertung eines vor sich hin gebrabbelten Geständnisses

KARLSRUHE taz | Abgehörte Selbstgespräche dürfen vor Gericht in der Regel nicht verwertet werden. Das entschied jetzt der Bundesgerichtshof (BGH). Selbstgespräche gehörten zum absolut geschützten „Kernbereich der Persönlichkeit“.

Konkret ging es um einen „Mord ohne Leiche“. Der Kölner Siegfried K. wurde verdächtigt, seine getrennt lebende philippinische Frau Lotis getötet zu haben, damit sie nicht mit dem gemeinsamen Kind in ihr Heimatland zurückkehrt. Bei einem richterlich genehmigten Lauschangriff auf das Auto von K. brabbelte dieser vor sich hin: „Oho, I kill her, oh yes, and this is my problem“, und: „Wir haben sie totgemacht.“ Darauf wurde er vom Landgericht Köln wegen Mordes verurteilt.

Auf Revision seiner Anwälte hob der BGH dieses Urteil nun auf. Der Grundsatz „Die Gedanken sind frei“ erfasse auch ein „in Selbstgesprächen formuliertes Aussprechen von Gedanken, bei dem sich die Person als allein mit sich selbst empfindet“, sagte der Vorsitzende Richter Thomas Fischer.

Allerdings sei nicht jedes Selbstgespräch dem Kernbereich der Persönlichkeit zuzuordnen. Letztlich komme es auf eine Abwägung an. Für die Nichtverwertbarkeit spräche zum Beispiel, wenn die Worte unbewusst, als Ausschnitt eines Gedankenflusses geäußert werden. Gegen die Verwertbarkeit spreche auch, wenn die Worte an einem privaten Ort abgehört wurden.

Tagebücher, so stellte Fischer klar, könnten aber weiter von der Polizei beschlagnahmt und ausgewertet werden. Denn dort werde bewusster formuliert und nicht so „flüchtig und bruchstückhaft“. Auch das Bundesverfassungsgericht hatte bisher die Auswertung von Tagebüchern zugelassen.

Dennoch ging der BGH über die bisherige Rechtsprechung des Verfassungsgerichts hinaus, indem er auch Selbstgespräche über Straftaten grundsätzlich dem Kernbereich der Persönlichkeit zurechnet. Die Verfassungsrichter hatten 2004 in ihrer Entscheidung zum großen Lauschangriff erklärt: „Gespräche über begangene Straftaten gehören nicht zum absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung.“ Siegfried K. erhält nun einen neuen Prozess am Landgericht Köln. CHRISTIAN RATH