Party unter Beobachtung

Mit Videokameras filmt die Polizei ab diesem Wochenende das Treiben auf der Discomeile. Ob die Privatsphäre in Wohnungen mittels digitaler Verfremdung gewahrt bleibt, ist fraglich

von Eiken Bruhn

Mit vier Videokameras versucht die Polizei ab diesem Wochenende, Gewalt und Dealerei auf der Discomeile vorzubeugen. Es ginge einzig um Sicherheit und Verbrechensbekämpfung, nicht darum, einen „Polizeistaat“ einzurichten, sagte gestern Innensenator Willi Lemke (SPD) bei der Vorstellung der Zentrale, in der Polizisten am Monitor das Geschehen vor Ort verfolgen.

„Das ist keine Verfolgung friedliebender Bürger“, so Lemke. Diese bräuchten sich keine Sorgen darüber zu machen, dass sie in ihren Wohnungen gefilmt würden, so der stellvertretende Polizeipräsident Michael Steines. Die Kamera nehme in diesen Bereichen nicht auf. Wenn etwas in den Fenstern zu erkennen sein würde, legt sich ein grauer Balken über die Bildschirmfläche, wie ein Kollege demonstrierte. Hauseingänge sind allerdings zu sehen, genauso wie das gesamte Treiben auf Bürgersteig und Straße rund um Bahnhof und Breitenweg.

„Ich gehe nicht davon aus, dass sich Anwohner gestört fühlen“, sagte Steines, mit einem Flugblatt seien diese darüber informiert worden, dass zwischen 20 und acht Uhr morgens gefilmt würde, nach 48 Stunden sollen die Aufnahmen gelöscht werden. Es sei denn, sie werden als Beweismaterial gebraucht, wenn eine Straftat angezeigt wurde. Dieses Vorgehen ist mit dem Bremer Datenschutzbeauftragten Sven Holst abgestimmt worden, der mit der Lösung zufrieden ist.

Ein Gerichtsurteil aus Hamburg zeigt allerdings, dass die digitale Bearbeitung nicht zwangsläufig ausreicht. Dort hatte eine Anwohnerin der Reeperbahn erfolgreich dagegen geklagt, dass ihre Wohnung gefilmt wurde. Der Verwaltungsrichter stimmte ihr zu, dass ein schwarzer – beziehungsweise in Bremen grauer – Balken das subjektive Gefühl nicht beseitigen könne, beobachtet zu werden. Schließlich sei es möglich, die digitale Sperre aufzuheben. Das Gericht verlangte schließlich, dass eine mechanische Sperre eingebaut würde, um den Schutz der Privatsphäre zu wahren. Auch in Hamburg hatte der oberste Datenschützer die digitale Lösung akzeptiert.

Wie erfolgreich die Polizei mit ihrem Präventions-Konzept sein wird, lässt sich schwer messen. Sowohl die verstärkte Polizeipräsenz auf der Meile als auch die Videoüberwachung werde vermutlich erst einmal dazu führen, dass mehr Straftaten angezeigt würden, so Steines. So gab es im Jahr 2006 „nur“ 350 Anzeigen wegen Körperverletzung in der Bahnhofsgegend und in diesem Jahr 550. „Es ist ein Unterschied, ob Sie direkt einen Beamten vor Ort ansprechen können oder erst einmal nach Hause gehen und drüber nachdenken.“ Zumal die Chance, recht zu bekommen, wegen der Videoüberwachung steigen würde. „So lässt sich rausfinden, wer tatsächlich angefangen hat.“ Allerdings bestätigte sein Kollege Stefan Kiprowski, dass auch im Vorfeld schon etwas passiert sein könne, von dem es keine Aufzeichnungen gibt.

Ob an weiteren Orten in Bremen Videokameras installiert würden, blieb gestern offen. Innensenator Lemke sagte, er könne sich gut vorstellen, dass die Drogenszene am Sielwalleck überwacht würde, damit sich dort „alle Bürger und Bürgerinnen“ wohl fühlen. Steines mochte sich seinem Dienstherrn Lemke gestern nicht anschließen. Dazu müssten Kosten und Nutzen noch abgewogen werden. Der Datenschützer Holst gab zu bedenken, dass es technisch schwierig würde, in dem sehr belebten Wohnviertel Eingriffe in die Privatsphäre zu verhindern.