LESERINNENBRIEFE :
Der Fluch der Statistik!
■ betr.: „Arme ohne Aufschwung“, taz vom 22. 12. 11
Daniel Kummetz reproduziert den Interpretationsfehler des Paritätischen Gesamtverbandes, wenn er feststellt: „Auffällig ist dabei, dass die Armutsgefährdungsquote auch dann kaum zurückging, wenn die Konjunktur anzog.“ Das ist nicht auffällig, sondern von der Messgröße „Armutsgefährdungsquote“ vorgegeben: Sie gibt an, wie viel Prozent der Bevölkerung über weniger als 60 Prozent des Medianwertes des Äquivalenzeinkommens verfügt. Wenn also die Einkommen generell steigen, dann steigt auch der Medianwert, und die Armen bleiben arm, auch wenn ihr Einkommen im Gleichschritt steigt. Dasselbe gilt für sinkende Einkommen in der Krise.
Die Armutsgefährdungsquote sagt nicht einmal etwas über die wachsende Ungleichheit der Einkommensverteilung aus, da dann trotz insgesamt steigender Einkommen der Medianwert sinkt (das ist eben nicht der Durchschnitt!) und damit auch 60 Prozent davon und die „Armut“ sich nicht verändert, obwohl viele ärmer werden.
Jetzt wären ja solche statistischen Fehler ziemlich wurscht, wenn nicht ernst zu nehmende Anliegen (Armutsentwicklung) und ihre wenigen Interessensvertreter (Paritätischer Gesamtverband) durch diesen schlampigen Umgang mit der Statistik disqualifiziert würden (ganz zu schweigen von dem überflüssigen Aufwand beim Erstellen der Studie). Kümmern wir uns also mehr um die Armen und weniger um die Quoten! KARL-HEINZ KERN
Zurück zur Tagesordnung
■ betr.: „Schwamm drüber, okay?“, taz vom 24. 12. 11
Ich muss mich über die taz wundern. Vor ein paar Wochen durfte man noch vollmundige Forderungen zur Aufklärung des Neonaziterrors, der merkwürdigen Machenschaften und allem anderen in dir lesen. Heute titelst du mit Weihnachten. Passend, na meinetwegen. Aber warum hat jemand auf Seite 3, statt einen Bericht darüber zu schreiben, was alles immer noch nicht in Sachen Neonazis, Eurokrise, Fremdenfeindlichkeit, sozialer Ungerechtigkeit etc. getan wurde, lieber eine Ansprache unseres Bundespräsidenten entstellt, als wären wir noch in der Grundschule und müssten unsere Mitschüler, die gerade vorn stehen, nachäffen und ihnen die Worte im Munde verdrehen? Ich mag keinen Konservativen im Amt des Bundespräsidenten, auch keinen verlogenen Geschäftemacher. Aber seien wir ehrlich: Der Bundespräsident ist ein machtloser Posten. Vorteile wird Wulff niemandem mehr zuspielen können für die nächsten Jahre seiner regulären Amtszeit.
Könnten wir also bitte zurück zur Tagesordnung kommen und diesen „Skandal“ zurückstellen, der uns nur mal wieder ablenkt von den Dingen, die wirklich mal diskutiert werden müssen? Was ist denn mit dem NSU? Was ist denn nun mit öffentlichen Projekten gegen Neonazis? Was ist nun mit der Eurozone? Fliegt Griechenland nun raus oder nicht? Wird Geld gedruckt? Oder gar Bankenmacht gesprengt? Was ist nun eigentlich mit Mindestlöhnen oder sozialer Gerechtigkeit? All das wären wichtige Probleme, die ich gern in dir besprochen wüsste und für die ich gern Lösungen hören würde oder zumindest Ansätze. Bitte, bitte, liebe taz, obwohl alle über Wulff schreiben oder vielmehr: gerade weil alle über Wulff schreiben, berichte du uns lieber, was uns die anderen in Wort und Bild verschweigen. MICHAEL WASZMANN, Landsberg
Ein Pfui-Label für Deutschland
■ betr.: „Tierquäler bleiben ungestraft“, taz vom 24. 12. 11
Deutschland verdient längst das Pfui-Label „Fleischland“! Ich selbst esse schon lange kein Geflügelfleisch mehr, sonstiges Fleisch allenfalls, wenn man irgendwo zu Tisch sitzt und es keine andere Auswahlmöglichkeit gibt. Was Milch und Butter betrifft, so sollte jeder Verbraucher auf den Hinweis achten „Milch von Kühen, die überwiegend Grünfutter erhalten“. Hier hat es die Agrarlobby nämlich geschafft, der breiten Öffentlichkeit die Tatsache vorzuenthalten, dass Milch von Kühen, die ständig im Stall gehalten werden und fast ausschließlich sogenanntes Kraftfutter erhalten, sehr viel weniger bis kaum ungesättigte Fettsäuren enthält und daher als ungesund bezeichnet werden muss. DAGMAR JESTRZEMSKI, Wedel
Videoüberwachung im Stall
■ betr.: „Tierquäler bleiben ungestraft“, taz vom 24. 12. 11
Die Staatsanwaltschaft negiert, dass der Tierschutz nicht nur im Tierschutzgesetz manifestiert ist, sondern seit 2002 auch als Staatsziel Aufnahme ins Grundgesetz gefunden hat. Dieser Vorgang beweist erneut, dass sich die Tierproduktion aus dem Rechtsstaat verabschiedet hat und sich des Schutzes der Staatsanwaltschaft sicher sein kann. Da nicht auf Einsicht der Beschäftigten und ihrer Hintermänner gehofft werden kann, bleibt eigentlich nur die Forderung nach permanenter, öffentlicher Videoonlineüberwachung aller Massentierhaltungsanlagen von der Einstallung der Tiere über den Transport bis zur Schlachtung. INGRID WENDT, Stelle