Das Heim im Knast

KOALITION Grüne stimmen geschlossener Unterbringung zu, wenn dafür Alternativen ausgebaut werden. Das sei ein logischer Widerspruch, findet Heim-Kritiker Lindenberg

Bremen und Hamburg führen Gespräche über ein gemeinsames geschlossenes Heim:

■ Hamburg sucht einen Ersatz für die 2013 geschlossenen Haasenburg-Heime in Brandenburg.

■ Bremen sucht eine Lösung für eine kleine Gruppe unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge. Die Rede ist von etwa zehn Personen.

■ Als Gelände steht in Bremen das ehemalige Frauengefängnis bereit. Langfristig, aber nicht mehr 2015, ist eine Unterbringung im 2004 geschlossenen Jugendgefängnis Blockland denkbar.

■ Die Hamburger Sozialbehörde hat eigens einen Träger gründen lassen. Die Gesellschaft PTJ „Pädagogisch Therapeutische Jugendhilfe“ gehört zu zehn Prozent der Stadt, sowie zu je zu 45 Prozent der gewerblichen „Social Unitas GmbH“ und der Grone-Schulen-Niedersachsen GmbH.

VON KAIJA KUTTER

Kurz vor Ostern wurde bekannt, wie die künftige rot-grüne Koalition mit dem Streit-Thema geschlossene Unterbringung (GU) verfahren will. Es bleibt dabei: Hamburg verhandelt mit Bremen über ein gemeinsames Heim. Hamburg habe den Träger, „die Bremer ein geeignetes Gebäude“, schrieben Zeitungen.

Bei dem bisher in Rede stehenden Gebäude handelt es sich um das ehemalige Frauengefängnis der Justizvollzugsanstalt Am Fuchsberg. Der Stadtteilbeirat Bremen Gröpelingen stimmte erst am 20. Februar einer Umwidmung für die Jugendhilfe zu. „Dafür wird das Gebäude vom Gelände der JVA abgetrennt, entsprechend entwidmet und bekommt einen separaten Zugang in der Zaunanlage“, heißt es im Protokoll. In dem Haus seien mit 20 bau- und feuertechnisch abgenommen Plätzen, den vergitterten Fenstern und der Zaunanlage Bedingungen erfüllt, die man andernorts nicht finde.

Am Abend vor Gründonnerstag schien plötzlich nicht klar, ob die Hamburger Grünen den Heim-Plänen wirklich zustimmen. Verhandlungsführer Jens Kerstan erklärte der Presse, es gebe „noch keine Verständigung“. Doch dann traf die Verhandlungsdelegation sich wieder zu Gesprächen und Textarbeit.

Die Grünen-Jugendpolitikerin Christiane Blömeke findet geschlossene Unterbringung nach wie vor fachlich falsch und formulierte Bedingungen. „Wenn es am Ende dazu kommt, dass wir einer GU zustimmen, geht es nur, wir dafür einen deutlichen Ausbau der Alternativen bekommen und es eine enge, unabhängige Kontrolle der Unterbringung der Minderjährigen in dieser Einrichtung gibt“, sagte sie. Es müsse deutlich werden, dass die Vermeidung der GU im Vordergrund stehe. „Dafür brauchen wir einen deutlichen Ausbau der Koordinierungsstelle.“

Gemeint ist hier die „Koordinierungsstelle“ des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, die seit April 2014 arbeitet und bei bisher 15 scheinbar auswegslosen Fällen alle Beteiligten zu einem runden Tisch einlud. Das Jahr 2014 hat Hamburg überstanden, ohne ein einziges Kind geschlossen unterzubringen.

Der Ansatz, diese Koordinierungsstelle auszubauen, sei „der richtige Schritt“, sagte Verbands-Chef Joachim Speicher. Es könnte mehr solcher Stellen geben, am besten in jedem der sieben Bezirke eine. „Wenn sich alle verantwortlich fühlen, wird es für jeden Jugendlichen eine Lösung geben.“ Er hält eine GU – auf dem Gelände eines Gefängnisses – für falsch. „Gut wäre, zu sagen: Es gibt keinen GU-Beschluss ohne dass ein Fall in einer Koordinierungsstelle beraten wird“, sagte Speicher. Wenn erst alle Fachleute sagen müssen, es geht nicht mehr, sei das „eine hohe Hürde“.

Das sieht der Kriminologe und Heim-Kritiker Michael Lindenberg anders: „Wenn man am Ende doch ein geschlossenes Heim vorhält, ist die Koordinierungsstelle ist nur eine Stufe mehr im System.“ Die Grünen nutzten sie als Ausweichmanöver. „Es ist ein logischer Widerspruch, wenn man befürwortet, was man verhindern will“, sagte Lindenberg.

Hinzukommt die Sorge, dass Ämter das Heim füllen, wenn es erst mal da ist, denn Hamburg ist an dem Träger finanziell beteiligt. Wollen die Grünen sich mit dem Primat der GU-Vermeidung durchsetzen, muss vereinbart werden, dass man auch Leerstand finanziert.