piwik no script img

Archiv-Artikel

LESERINNENBRIEFE

Eine unfassbare Tat

■ betr.: „Von der Verantwortung“, taz vom 31. 3. 15

Da hat ein junger Mensch eine unfassbare Tat begangen. Kann dieses Unfassbare in der Diagnose Depression eine Erklärung finden? Wirft dieser Erklärungsversuch nicht viele neue Fragen auf?

Heißt Depression, kein Mitgefühl und keine Achtung vor dem Leben zu haben? Sind demnach alle Menschen, die an einer Depression gelitten haben oder noch leiden, die Psychopharmaka eingenommen haben oder sie noch einnehmen, eine Gefahr für die Menschheit? Müssen sie vorsichtshalber alle aus dem Verkehr gezogen werden?

Die Diagnose oder ein Krankenschein können keine Antwort darauf geben, wo das dem Menschen natürlicherweise innewohnende Mitgefühl und die Achtung vor dem Leben abhanden gekommen sind und sich stattdessen Bilder brutalster Gewalt einnisten konnten, die dann in der Realität umgesetzt wurden. „Durch Erfahrung der Welt kommt die Welt in den Kopf.“ ( M. Spitzer) In was für einer Welt hat dieser junge Mensch gelebt? Offensichtlich nicht in einer, in der ihm vermittelt wurde: „Du bist ein Wunder, du bist einzigartig … und wenn du dann aufwächst, kannst du dann jemand Schaden zufügen, der wie du ein Wunder ist?“ (P. Casals) GERDA KOLF, Soest

Ausreichend und akzeptabel

■ betr.: „Mit schmutzigen Händen“, taz vom 4. 4. 15

Ich empfand die Berichterstattung zum Unglücksflug 4U9525 in der taz für mich persönlich ausreichend und akzeptabel. Danke dafür. Als Mutter eines Sohnes und einer Tochter haben mich vielmehr Überlegungen zu den Gefühlen der Eltern des Copiloten beschäftigt. Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich will nicht wissen, was die Eltern des Copiloten fühlen, wie es ihnen geht oder Ähnliches. Und ich rede auch nicht das Leid der Angehörigen der Getöteten klein. Für mich stellen sich jedoch die Fragen: Wie verkraften Eltern die Tatsache, dass ihr „Kind“ auf einmal zu einem Menschen „mutiert“, den man selbst ablehnt, was „man nicht hat kommen sehen“, und was macht das mit den Eltern. Was macht die umgebende Gesellschaft mit den Eltern? Auch diese Eltern – Eltern von Mördern – verlieren ein „Kind“ und zwar in mehrfacher Hinsicht. Bekommen sie auch ein großes Mitgefühl der Gesellschaft? Denn das Gefühl der Angst, ein Kind zu verlieren – dieses Gefühl hört für Eltern nie auf.SIBYLLA M. NACHBAUER, Erlangen

Sensationslüsterne Neugierde

■ betr.: „Mit schmutzigen Händen“, taz vom 4. 4. 15

Bei den Eltern des Piloten ging es nicht um mediale politische Interpretationen, wofür die taz gegründet wurde. Die Eltern des Piloten stehen genauso fassungslos vor der Tat ihres Sohnes, was soll da politisch interpretiert werden? Was ist es anderes als sensationslüsterne Neugierde unter dem Deckmäntelchen „wir machen es besser, wir klären wirklich auf“. Was denn? Ob die Leute grüne oder rote Vorhänge haben, Primeln im Vorgarten oder was? Die dreckigen Hände hättet ihr auch sparen können, ich finde das eklig. HELGA GAULY, Berlin

Geschlechterdiskriminierung

■ betr.: „Der Mann als Restrisiko“, taz vom 30. 3. 15

Luise Pusch beschreibt den Mann, statistisch bewiesen, als lebensgefährdenderes Geschlecht und wagt die Hypothese, mit einer Pilotinnenquote wäre das Germanwings-Flugzeug nicht abgestürzt. Glaubt sie wirklich, dass Lufthansa/Germanwings bewusst besser geeignete Frauen ablehnen zugunsten von ungeeigneten, durch das Geschlecht als gefährlicher einzustufende Männer? Einen Menschen durch das Geschlecht als per se „gefährlicher“ zu bezeichnen, ist genau jene Art von Geschlechterdiskriminierung, die sie anprangert. Welch ein Glück, sass weder sie noch Emma die ausreichende gesellschaftliche Relevanz haben, dass sich dieser Gedanke durchsetzen kann. KAI HARTMANN, Frankfurt am Main

Eine Zeit der Globalisierung

■ betr.: „Die nächste Generation hat Glück, wenn es ihr nicht schlechter geht“, taz vom 4. 4. 15

Zunächst muss man sich die Frage stellen, wie die nächste Generation auf die Zukunft vorbereitet wird. Schüler lernen an Schulen mathematische Logik, Naturwissenschaften, Fremdsprachen und Deutsch. Fächer wie Religion, Ethik und Philosophie sind nur Nebenfächer. Genügt diese Auswahl für ein nachhaltig gesundes Seelenleben eines Menschen? Oder genügt sie nur für eine „Soldat und brav“-Mentalität wie in Thomas Manns Zauberberg beschrieben? In Medien und Internet werden Jugendliche mit einer Flut von Pseudoinformationen konfrontiert, bei denen man schon sehr intelligent sein muss, um diese differenziert zu verarbeiten.

Die Zukunft wird eine Zeit der Globalisierung sein, in der Kompetenzen des Konfliktmanagements sehr gefragt sein werden. Geben wir der nächsten Generation eine Ausbildung, die diese Kompetenzen fördert. Fächer wie Ethik, philosophische Lebenskunst und psychologische Relativierungskunst müssten also in den Vordergrund treten. Die Frage schlechter oder besser lässt sich auch nicht einfach auf finanziellen oder materiellen Wohlstand reduzieren. Es wird darauf ankommen, mit welchen Ansprüchen Menschen das Leben bewältigen möchten. Ein Mensch an der Armutsgrenze kann sehr wohl ein glücklicher Mensch sein. Also: Lasst die nächste Generation aus Ressourcen schöpfen, die nachhaltige Tragfähigkeit beinhaltet.MATTHIAS WEBER, Dahlem