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Archiv-Artikel

Klagen haben wieder Konjunktur

SOZIALES Arbeitsgericht hat wieder mehr zu tun – meist kämpfen Arbeitnehmer um ihr Recht

Die Zahl der Klagen am Berliner Arbeitsgericht hat im Jahr 2011 im Vergleich zum Vorjahr wieder etwas zugenommen. „Das Niveau von 2010 war ungewöhnlich niedrig“, sagte der Präsident des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg, Gerhard Binkert. „Wir sind konjunkturabhängig, und zwar umgekehrt konjunkturabhängig.“ Gehe es der Wirtschaft gut, würden weniger Mitarbeiter entlassen und es gingen weniger Fälle an den Arbeitsgerichten ein.

2009 gab es rund 25.500 Klagen am größten deutschen Arbeitsgericht. 2010 waren es etwa 20.000, und nun liegt die Zahl für 2011 um 21.500. Im längerfristigen Trend sind die Zahlen allerdings stark rückläufig: „Wir hatten kurz nach der Wende fast 50.000 Verfahren und fast 90 Richterinnen und Richter“, erzählte Binkert. Heute sind es am Arbeitsgericht noch 52. Die Nachwendezeit sei aber untypisch, denn „alles im Osten ist praktisch abgewickelt worden, die ganzen Industrien“.

Mehr als 90 Prozent der Kläger sind Arbeitnehmer. „Das ist Arbeitsrecht: Der Arbeitgeber spricht die Kündigung aus, nicht der Arbeitnehmer“, erklärte der Gerichtspräsident. In der Hälfte der Fälle gehe es um Kündigungen oder Befristungen. „Die andere Hälfte macht Arbeitsentgelt aus.“ Nur rund 10 Prozent der Klagen würden durch ein Urteil entschieden, fast die Hälfte durch einen Vergleich.

„Durch diese geringe Urteilsquote ist es natürlich auch möglich, dass wir sehr schnell arbeiten“, sagte Binkert. Der Gang durch die ersten beiden Instanzen dauere im Schnitt weniger als ein Jahr. In neun von zehn Fällen ist das Urteil des Landesarbeitsgerichts rechtskräftig. „Das ist auch geboten, weil bei einer Kündigung sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber wissen müssen, was Sache ist.“

Die Zahl der Verfahren liegt in Berlin etwa doppelt so hoch wie in Brandenburg. „Brandenburg ist konjunkturell aber auch strukturell etwas anders gelagert als Berlin“, sagte Binkert. Hinzu komme, dass Berlin andererseits auch eine hohe Dichte an Fachanwälten habe. „Im Ballungsgebiet ist die Klagehäufigkeit sehr viel größer.“ (dpa)