: berliner szenen Goldener Schriftzug
Walter-Benjamin-Platz
Steht man in der Mitte des Walter-Benjamin-Platzes, fühlt man sich im ersten Moment in die Miniaturausgabe eines stalinistischen Aufmarschplatzes versetzt. Strenge Geometrie, wohin man schaut. Dunkelgraue Steinfassaden mit einheitlichen Fensterreihen ragen auf beiden Seiten düster in den Himmel. Die Säulengänge, die darunter entlangführen, sollen wohl mediterranen Charme versprühen. Mit letzter Überzeugung laden sie nicht zum Wandeln ein. Vor allem nicht jeden.
Die Adressen hier, in unmittelbarer Nachbarschaft des Ku’damms, sind vom Feinsten. Ein Friseur, bei dem man besser nicht auf die Preisliste schaut. Ein paar Restaurants, die sich mit ihrem kargen Design der Architektur drum herum perfekt angepasst haben. Ein Psychoanalytiker mit goldenem Klingelschild, der netterweise auf den Namen Benjamin hört. Und ein „Institut für ästhetische Zahnheilkunde“, dessen goldener Schriftzug den Psychoanalytiker sicher vor Neid hat erblassen lassen. Zumindest darüber hätte Walter Benjamin vermutlich lachen können.
Vielleicht auch über den Platz selbst. Vor ein paar Jahren wurde er auf einer Brachfläche zwischen Leibniz- und Wielandstraße gebaut und strahlt nun in seiner kühlen Architektur genau das aus, was sein Namensgeber an der Moderne misstrauisch beobachtete. Melancholisch erinnerte er sich deshalb lieber an das verwinkelte Berlin seiner Kindheit. Vielleicht ist es also kein Zufall, dass die Altberliner Häuser im Hintergrund des Platzes wie eine museale Kulisse aussehen. Wenn aber in der Dämmerung die Lichter über dem menschenleeren Platz angehen, schimmert der graue Steinboden, als würde er längst durch ganz andere Zeiten schweben.
WIEBKE POROMBKA