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Archiv-Artikel

Eigenimagedoping gescheitert

Scheibe-Wischer (III und Schluss): Wie ein DDR-Leichtathletiktrainer seinen ramponierten Ruf zu retten versuchte

Alle Jahre wieder: Zum Jahreswechsel gewährt taz-Justiziar und Rechtsanwalt Peter Scheibe Einblicke in die Abgründe des Presserechts.

Als im Januar 2006 der Strafprozess gegen einen DDR-Dopingtrainer begann, zitierte die taz eine Aussage der ehemaligen Leichtathletin Frauke Tuttas, wonach sie zwischen 1985 und 1988 das DDR-Allzweckdopingmittel Oral-Turinabol von ihm erhalten habe. Im Strafverfahren ließ sich der Trainer übrigens vom letzten DDR-Innenminister und – wie der auf seiner Website verlauten lässt – „obsessiven Bodybuilder“ Peter-Michael Diestel vertreten.

Auch das bewahrte den Trainer freilich nicht davor, zu einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten auf Bewährung verurteilt zu werden. Anscheinend um seinen schon seit Beginn der Neunzigerjahre ramponierten Ruf besorgt, beauftragte der Trainer außerdem einen Presserechtler und wollte der taz die Aussage mit der Begründung verbieten lassen, er habe „Frau Tuttas zu keinem Zeitpunkt das genannte Dopingmittel verabreicht“. Daraufhin recherchierte die taz in dieser Sache weiter und fand dabei heraus, dass Frauke Tuttas tatsächlich ausgesagt hatte, der Trainer habe ihr das Dopingmittel lediglich bis zum Frühjahr 1987 verabreicht.

Gern bereit, Fehler zu korrigieren, erschien in der taz wenige Tage später eine entsprechende Berichtigung. Dennoch ließ der Trainer beim Landgericht Hamburg zunächst eine einstweilige Verfügung erwirken, welche der taz die ursprüngliche Behauptung untersagte. Da ein solcher Beschluss – wie der Name schon verrät – nur vorläufigen Rechtsschutz gewährt, zwang die taz den Trainer in ein Hauptverfahren. Denn sie hatte auch nicht geschrieben, dass Tuttas’ Aussage wahr sei, sondern nur die Tatsache mitgeteilt, dass Tuttas diese Aussage so getroffen habe. Das Gericht ordnete schließlich die schriftliche Zeugenvernehmung an: Nicht nur Frauke Tuttas musste sich äußern, sondern auch ihre früheren Trainingskolleginnen Grit Breuer und Katrin Zimmermann, besser bekannt unter ihrem Mädchennamen Krabbe.

Dass sich diese beiden früheren Weltklasse-Sprinterinnen nicht erinnern konnten oder wollten, verwundert nicht: Schließlich war der Trainer auch in ihren Sündenfall verstrickt. Bei beiden wurde 1992 mittels einer Urinprobe ein Anabolikum nachgewiesen, was ihnen eine elfmonatige Sperre einbrachte. Außerdem ist Grit Breuer die Lebensgefährtin des Trainers. Das Gericht musste dennoch im September 2007 die Klage des Trainers gegen die taz abweisen, denn „nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist davon auszugehen, dass der Kläger Frauke Tuttas zwischen den Jahren 1985 und 1987 das Dopingmittel Oral-Turinabol gegeben hat. […] Der überzeugenden Aussage der Zeugin stehen die Bekundungen der Zeuginnen Breuer und Zimmermann nicht gegenüber.“ Die Zeugin Zimmermann habe nicht bestätigt, dass Tuttas im Zeitraum von 1985 bis 1987 Oral-Turinabol gegeben worden sei. „Entscheidend ist allerdings, ob sie die […] Behauptung des Klägers […] bestätigt, was nicht geschehen ist. Denn der Umstand, dass die Zeugin die umstrittene Vergabe nicht beobachtet hat, bedeutet nicht zwangsläufig, dass diese nicht stattgefunden hat.“ Dieselbe Erwägung gelte für die Zeugin Breuer. […] Denn es ist nicht erkennbar, dass die Zeugin sämtliche Handlungen des Klägers hätte beobachten können.“

Auch aufgrund der eventuell falschen Angabe des Zeitraums der Einnahme des Dopingmittels konnte das Gericht keinen Unterlassungsanspruch erkennen: „Zweifelhaft erscheint bereits, dass der Kläger durch diese Abweichung […] in seinem sozialen Geltungsanspruch beeinträchtigt wird. […] Eine Entscheidung hierüber ist jedoch nicht zu treffen, da die Beklagte […] von sich aus […] diese Unrichtigkeit richtiggestellt hat.“