: Schlaffe Beschlüsse von SPD–Frauen
■ Diszipliniert formulierte die AsF ihre Forderungen zum Paragraph 218 / Vorsichtig Ärger über Verzögerung der Quotierungspolitik geäußert / Oskar Lafontaine erntet Empörung / Jochen Vogel lobt die klugen Frauen
Aus Mannheim M. Jansen
Entgegen zarter Hoffnungen im vorfeld hat die Bundeskonferenz der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) in Mannheim den Anschluß an die progressiven Beschlüsse einiger DGB–Gewerkschaften zum Paragraph 218 nicht geschafft. Die Frauen erfreuten sich parteioffizieller Aufmerksamkeit wie nie zuvor. Parteiführung und Bundestagsfraktion reisten mit großem Aufgebot an und beschwörten die DelegiertInnen, der CDU doch bitteschön keinen Diskussionsstoff in Sachen Schwangerschaftsabbruch zu liefern. Anke Fuchs fand es „nicht radikal (...), den Gegner zu locken“ durch die Forderung nach Abschaffung des Paragraph 218. Radikal sei, „für Mehrheiten zu sorgen und Gesetze so zu formulieren, wie die Menschen es brauchen“. Es war im Kern das einzige - und klassisch sozialdemokratische - Argument, das in vielen Varianten gegen die ersatzlose Streichung des Paragraph 218 vorgetragen wurde. Durch die eigene Zurückhaltung und den vorweggenommenen Verzicht soll Schlimmeres verhütet werden, nämlich zunächst das Beratungsgesetz. Mit einer Mehrheit von 212 gegen 111 Stimmen votierten die SPD–Frauen dann für eine „Entkriminalisierung“, aber gegen die ersatzlose Streichung des Paragraph 218. Unmut hatte der Beschluß des Parteipräsidiums zur Umsetzung der Quotierungsbeschlüsse von Nürnberg ausgelöst. Die Verlän gerung der Fristen für die einzelnen Quotierungsstufen fanden viele Frauen ebenso ärgerlich wie die Ausnahmebestimmung für kleinere Ortsvereine, für die nur eine Soll–Bestimmung gelten soll. Sollte die Obergrenze hierfür bei 100 Mitgliedern liegen, so würde schon rund die Hälfte aller Ortsvereine aus der vorgesehenen Quotierungsbestimmung herausfallen. Zu mehr als einer Absichtserklärung, die Grenze statt dessen bei 50 Mitgliedern festzulegen, und der Aussage, daß die langen Umsetzungsfristen „die Ernsthaftigkeit“ der Absichten in Frage stellen, sah sich die Konfe renz allerdings nicht in der Lage. Der Parteivorsitzende Jochen Vogel war zufrieden und lobte die braven und klugen Frauen, und die dankten es ihm mit großem Beifall. Einen besonders gelungenen Auftritt konnte der stellvertretende Vorsitzende Oskar Lafontaine verbuchen. Nachdem er für die SPD auf „neue Impulse“ und „mehr Attraktivität“ durch Frauen hoffte, zeigte er, wo es langzugehen hat: „Es wäre eine schlechte Arbeitsteilung, wenn das Grundsätzliche (zur Quotierung) von Euch beschlossen würde, die praktische Umsetzung dann aber wiederum uns zufallen sollte.“ Es gelte, daß „alle Stimmen das gleiche Gewicht in der Partei haben“ ebenso, wie der verfassungsmäßige Grundsatz des Mehrheitsprinzips nicht außer Kraft zu setzen sei. Zum Abschied beglückwünschte er die „Genossinnen und Genossen“ zur Wahl in den Bundesvorstand. Die Frauen reagierten mit eisiger Empörung, „Zugabe“ forderten sie beim Abgang Lafontaines. Die aufgeladene Stimmung wurde allerdings durch eine kabarettistische Einlage entschärft, die zwar spaßig, vor allem aber blitzableitend war. So konnte Oskar sich doch noch mit Küßchen bedanken.
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