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I N T E R V I E W „Eine widerliche und makabre Geschichte“

■ Jutta Ditfurth, Vorstandssprecherin der Grünen, nimmt zu den Angriffen auf ihre Person Stellung: „Das Abdrängen in die RAF–Ecke ist genau das, worunter Linke seit zehn Jahren leiden.“

taz: Die Bundestagsfraktion hat sich von dir distanziert, deine Vorstandskollegin Berthold hat dich zum Rücktritt aufgefordert, und von dir hört man nichts. Kratzen dich diese Angriffe überhaupt? Ditfurth: Ehrlich gesagt, nicht besonders. Schlimm finde ich allerdings die politische Begründung der persönlichen Angriffe. Es läuft mir kalt den Rücken runter, wenn von einer grünen Vorstandssprecherin verlangt wird, sie müsse ein positiv formuliertes Verhältnis zum Staat haben. Da frage ich mich: Gibt es überhaupt noch einen radikaldemokratischen Grundkonsens in dieser Partei? Das kritische Verhältnis zum Staat geht doch weit in liberale Kreise rein, und Linke haben immer den Staat auch grundsätzlich in Frage gestellt bei der Suche nach einer anderen Gesellschaftsordnung. Der Anlaß jetzt wird aber benutzt, um das voranzutreiben, was einige Leute in der Partei wollen: nämlich die Grünen zu einer prokapitalistischen Marktwirtschaftspartei zu machen. Ich stehe dabei mit anderen Leuten diesem Anpassungskurs massiv im Wege. Aber warum gibt es gerade jetzt, bei der Deutschen–Herbst–Diskussion, diese Aufregung um dich? Das ist eine ganz widerliche und makabre Geschichte. Ein Teil der Realos setzt die Distanzierung an einem Punkt an, wo sie wissen, daß sie einen Großteil der bürgerlichen Öffentlichkeit dabei lautklatschend auf ihrer Seite haben. Das Abdrängen von Positionen wie meiner in die RAF–Sympathisantenecke ist genau das, worunter Linke in diesem Land seit zehn Jahren leiden. Und das wird jetzt von grünen Realpolitikern selber gezielt versucht. Damit lassen sie den Raum zwischen RAF und Staat unheimlich eng werden, geben Terrain für linke Politik auf - und das ist das Schlimme an dieser Auseinandersetzung, was weit über meine Person hinausgeht. Woraus speist sich denn deiner Ansicht nach die Staatstreue vieler Grüner? Ein Großteil der grünen Funktionäre hat eine Lebenslage, die sie mit dem marginalisierten Teil dieser Gesellschaft gar nicht mehr konfrontiert. Die Einschätzung von diesem Staat läuft doch vor allem auch über persönliches Erleben. Wer ein geruhsames grünes Mittelstandsleben führt, bekommt gar nicht mit, wenn Sondereinsatzkommandos wie jetzt in Stuttgart oder Wackersdorf eine Demo zerknüppeln. Was für ein Staatsverständnis hast du denn? Der Staat befindet sich objektiv in einer Phase, wo er mit immer gewaltvolleren Mitteln gegen die Opposition vorgeht. Das kann man zur Zeit an der Anwendung von Paragraph 129a und Paragraph 130a sehen, mit denen eine weitere Kriminalisierung vorbereitet wird. Das wirkungsvolle Zusammenfließen von dieser Repression einerseits mit subtilen Integrationsangeboten andererseits zeigt sich gerade bei den Grünen. Während für die Bewegungen außerhalb der Grünen vor allem die Gewaltseite des Staates im Vordergrund steht, sind für die Entwicklung der Grünen die Integrationsangebote entscheidend. Auf diese doppelte Strategie des Staates gegenüber der Opposition beziehen sich die Grünen aber politisch kaum mehr. Während Demos zerschlagen werden, bemühen sich grüne FunktionärInnen in Bonn um möglichst viel Reputierlichkeit. Die gegenwärtige Kampagne gegen dich läuft wohl darauf hinaus, dich auf der nächsten Delegiertenversammlung abwählen zu lassen. Willst du um deine Position kämpfen? Ich bin aufgrund vieler Diskussionen, die ich zur Zeit führe, zuversichtlich, daß ingesamt in der Partei meine Position mehrheitlich, wenn auch nicht geteilt, so aber doch akzeptiert wird. Interview: Charlotte Wiedemann

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