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RAF-Dialog-betr.: "RAF zum Dialog-Vorschlag: Entweder alle oder keiner", taz vom 8.8.88, Seite 1 und RAF-Erklärungen Seite 8 und 9, "Zwischenbilanz eines Dialogs", Seite 12,13

betr.: „RAF zum Dialog-Vorschlag: Entweder alle oder keiner“, taz vom 8.8.88, Seite 1, RAF-Erklärungen Seite 8 und 9, „Zwischenbilanz eines Dialogs“, Seite 12, 13

Das Menschenbild der RAFler & Co ist über die Jahre immer noch erschreckend einfach gestrickt: hier Zimmermann mit Bullen und Axt, dort Ulrike mit Knarre und Heiligenschein. Es lebe die schwarz-weiße Welt, in der die Guten von den Bösen eingesperrt werden. War nicht die Analyse des Systems

-einschließlich der Knäste - eine Grundlage für den Entschluß zum „bewaffneten Kampf“? Draußen wie drinnen nichts Neues also. Natürlich schlägt der Staatsapparat mit voller Wucht zurück, aber das war euch doch vorher klar. Darauf beschränkt sich dann auch schon die Gleichheit mit den chilenischen Widerstandskämpfern.

Vollends an Realitätsverlust scheinen die Gefangenen zu leiden, wenn es um die Wirksamkeit ihrer Hungerstreiks geht und sie sich gegen „staatsschutzmanipulierte Öffentlichkeit“ verwahren. Ja, wen und wie hättet ihr denn gerne als Öffentlichkeit?

Mit geballter Faust untergehend reihen sie sich nahtlos in die Tradition derer ein, für die Deutschsein hieß, eine Sache um ihrer selbst Willen zu tun. Was glaubt ihr denn, wer hier draußen eure Hungerstreiks noch wahrnimmt? Mit der Arroganz der Märtyrer verkündet Taufer „Wir sind der Staat“, aber wer sind „wir“?

Solidarität setzt eine gemeinsame Vorstellung von einem Ziel voraus, für das gekämpft werden soll. Ein gemeinsamer Gegner allein genügt für eine Koalition, wo die nicht möglich ist, nur Mitleid.

In diesem Sinne sind die Gefangenen der RAF nur noch geistige Sozialfälle der Linken, die jahrelang denselben zweifelhaften Analysen nachhängen, ohne in ihrer Isolation etwas gelernt zu haben.

Sabine M., Stefan R., Berlin 21

Ganz recht, das ist kein repräsentativer gesellschaftlicher Dialog. Wo bleibt bei der Zusammenstellung die repräsentative Linke? Wie selbstbezogen sind Menschen, die nur noch ihresgleichen als Maßstab für Moral und Politik ansehen. Jener Taube dürfte hören, daß da nur Aussteiger gemeint sind und nun das psychologische Weichkochen beginnen wird. Diese politische Realität der bekannten Initiatoren und deren vielleicht noch einflußreichere Hintermänner/frauen ist enttäuschend. Haltet durch, Kampf dem Kalkül der Herrschenden.

Die revolutionäre Minizelle

(...) Man hat sie eingesperrt in dem Bewußtsein, daß ihre Taten verwerflich, ihre Motive im Grunde aber berechtigt sind, das darf aber nicht zugegeben werden. Nur die Tat zählt. Die Motive verschwinden. Das Wort „Terrorist“ kleistert alles zu, reduziert den Menschen, als wäre er täglich von null bis 24 Uhr mit Gewalttaten beschäftigt.

Die Qualität des Staates ist so hoch, daß das gesamte Phänomen RAF auf bloße Gewalttaten reduziert worden ist. Ihre Botschaft von einer radikaldemokratischen Gesellschaft, die in einer nicht hierarchischen offenen Ordnung lebt, fiel sehr tief unter den Tisch.

Die Qualität der RAF ist jedoch, daß an die 20 Leute nach so vielen Jahren Isolationshaft sagen: alle oder keiner. Jeder mag sich darüber ein persönliches Urteil bilden.

Matthias Rewyzak, Heidelberg

Es bleibt auch hier nur der Versuch. Die Vertuschung der wahren Gründe auf Staatsseite. Einen Schritt in eine Richtung, wo die „priviligierte“ Gesellschaft sich in den Vordergrund der Showbühne placiert. Dialoge mit oder aus der RAF sind nur auf der Basis der breiten Öffentlichkeit möglich. Und dies wiederum wird derzeit durch den §129a von der Seite des allmächtigen Staates restriktiv verhindert. Also, warum das ganze Gerede von Dialog, wenn sich an der Sache an sich nichts - ja absolut gar nichts ändert?

OK, auf der einen Seite stehen die Leute der Amnestie, aber mit welchen Bedingungen. Abschwörung von einer eingefleischten Ideologie. Es ist doch geradezu zynisch, Leute mit einer Amnestie zu locken, wenn diese eine andere Identität annehmen müssen. Eine Identität, die zweifelsohne aufdiktiert wurde/wird. Eine Indoktrinierung von einst willensfähigen Menschen. Ist der Staat denn wahrhaftig eine Zensurbehörde der Indoktrinierung? Ich denke schon, denn sonst würden sich die Herren in schwarz nicht einer solchen Methode bedienen. (...)

Thomas Kraemer, Student, Bochum

Die taz hat drei Gefangene (...) und einen in Freiheit befindlichen Menschen zu Wort kommen lassen, aber die vier konnten zusammen nicht kommen, das Wasser war viel zu tief. Was habt ihr falsch gemacht. Ich gebe euch hier einen der „99 Sprüche zur Erbauung des Bewußtseins“ von Martin Walser zu bedenken:

Unser Habitus: /Feindselig sind wir und süchtig danach, /Grausamkeit hervorzubringen, /Jeder will der Schrecklichste sein und rufen /Zum Selbstmord, den er selbst nicht begeht.

Habt ihr es geschnallt? Auch die taz zahlt pünktlich ihr Scherflein zum Rüstungsetat. Und auch die unser Wasser verschmutzende, unsere Straßen belärmende und unsere Luft verpestende taz leistet sich täglich das billige Vergnügen, den unmoralischen Bundesbürger zu dem Selbstmord zu rufen, den sie „selbst nicht begeht“. Das ist auch der taz-Habitus und die schweigende Mehrheit hat sich längst ans Blättle gewöhnt.

Die Dialog-Anreger sind diesmal nicht „süchtig danach, Grausamkeit hervorzubringen.“ Nein, liebe taz! Sie möchten mit den Gefangenen sprechen. Und sie dürfen sich von den Gefangenen nicht sagen lassen, was sie sprechen sollen. Das ist der springende Punkt. Man darf den Dialogern aus dem sogenannten linkshumanistischen Lager nicht diktieren, was sie in den Gefängnissen sprechen sollen. Es lebe die Freiheit!

Sie möchten mit den Gefangenen sprechen und es soll, wie Antje Vollmer schreibt, „zuerst ein Kontakt ohne Tagesordnung“ werden. Das können die Gefangenen mit Leichtigkeit akzeptieren. Denn unsere bundesrepublikanische Tagesordnung ist so seehundsmiserabel - man kann überhaupt nicht darüber sprechen.

Erich Meinert, Hamburg 65

Wie ernst es dieser Staat mit dem Dialog wirklich meint, zeigt sich schon anhand der Tatsache, daß am 8.8.88 die Seiten 8 und 9 eures Blättchens entfernt wurden. Wie soll in einem System der Isolation und Zensur ein Dialog stattfinden. Die Initiative der Linksliberalen läuft Gefahr, eine Alibifunktion zu übernehmen, unter deren Decke das System von Zensur und Isolation weiter expandiert (und dies gilt nicht nur für die Gefangenen aus der RAF, sondern alle revolutionären Gefangenen).

Ich kann mich auch des Eindrucks nicht erwehren, daß es um alles andere als einen offenen Dialog über die Perspektiven revolutionärer Politik in der BRD geht. Was von dem NRW -Modell zu erwarten ist, ist ein erweiterter Besuch, bei dem sich die Justiz von den Besuchern erwartet, daß sie einige GenossInnen „zur Umkehr“ bewegen. Ein echter offener Dialog über die Zukunft revolutionärer Politik würde drinnen die Teilnahme aller revolutionärer Gefangener voraussetzen und würde die Teilnahme von VertreterInnen der Autonomen und Antiimps unverzichtbar machen. Keinesfalls darf diese Dialoggeschichte von den Hauptforderungen ablenken, also der Beseitigung des Zensur- und Isolationssystems und der Zusammenlegung aller revolutionärer Gefangenen.

Gerhard, Kaisheim

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