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Räumungstango am Einsteinufer

■ Nur eine kurze Nacht im besetzten Haus: Gestern morgen wurde geräumt und zerstört

Den rund 100 Studenten und Sympathisanten, die am Donnerstag nachmittag das leerstehende Haus Einsteinufer 21 besetzt hatten, war nur eine kurze Nacht in ihrem neuen Domizil vergönnt. Nachdem der Hauseigentümer, die Immobilienfirma Harlesson, Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs gestellt hatte, blies die Polizei in den gestrigen frühen Morgenstunden mit sechs Wannen und zwei Wasserwerfern zum Räumungstango. Nach Angaben der Besetzer wurde das Haus anschließend von Bautruppen, die Öfen und Mobiliar aus dem Fenster warfen, unter dem Schutz der Polizei systematisch zerstört. Die Mehrzahl der 98 Besetzer hatte das Haus nach Aufforderung der Polizei „freiwillig“ verlassen, die übrigen wurden hinausgetragen.

Gegen einen 20jährigen Mann, der einen Beamten getreten haben soll, wurde Strafanzeige wegen Widerstands erstattet. Die Personalien aller Besetzer wurden festgestellt, sechs Personen, die ihren Ausweis nicht dabei hatten, mußten mit auf die Wache. Von den Polizeimaßnahmen nicht verschont blieb auch der an das besetzte Haus angrenzende HdK -Fachbereich für visuelle Kommunikation. So berichtete ein Student, daß Polizeibeamte in das Streikbüro des Fachbereich eingedrungen seien. Auf Anweisung von oben seien später die Türen des Hauses verschlossen worden, so daß keiner mehr raus oder rein konnte. Auf Nachfrage beim HdK Präsidenten war zu erfahren, daß mit dieser Maßnahme das Eindringen von „HdK-fremden Elementen“ verhindert werden sollte. Die Polizei war damit nicht gemeint.

Der Referent des TU-Präsidialamts, Haberland, bestätigte auf Nachfrage der taz, daß TU-Präsident Fricke in einem Schreiben an die Immobilienfirma Harlesson darum gebeten hat, sämtliche Strafanträge gegen die Besetzer zurückzunehmen: „Wir sind der Meinung, daß die Angelegenheit nicht weiter eskalieren sollte“, sagte Haberland. Die Besetzer verwiesen darauf, daß Fricke auch versprochen habe, dafür sorgen zu wollen, daß das zweite Haus des Komplexes Einsteinufer 21 als Wohnraum erhalten bleibe: „Wir werden ihn an seinen Taten messen und unabhängig davon weiterhandeln.“ Die Firma von Harlesson war gestern nicht bereit, eine Stellungnahme abzugeben.

Die AL wurde laut einer Presseerklärung den „miesen Geschmack“ nicht los, daß dem Senat die Interessen von Hausbesitzern und Bodenspekulanten „offensichtlich wichtiger sind als die Einlösung der berechtigten Ansprüche vieler Menschen auf menschenwürdigen Wohnraum“. Die Räumung, so die AL, sei Ausdruck der bekannten Linie von „Rigorosität und Härte“.

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