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Hawaii in der Neustadt

■ „Katerschwimmen“ im Disco-Sound / Die Gesellschaft für öffentliche Bäder lud ein, und hunderte kamen zu plantschen und zu schlemmen / Südsee-Stimmung

Die siebzigjährige Dame im Vorraum schwärmte beim Haarefönen noch vom „Katerschwimmen“: „Das sollten die öfter machen. Ich zieh‘ mir jetzt was Trockenes an, und dann geh‘ ich wieder rein ins Bad, frühstücken.“ So lange wie gestern hat sie es noch nie im Hallenbad Süd ausgehalten. Das will bei ihr was heißen, denn sie kommt immerhin „eisern“ zweimal in der Woche zum Bahnenschwimmen und mittwochs zur Wassergymnastik.

Drinnen, in der riesigen Badehalle, war gestern zu Neujahr mit dem „Katerschwimmen“ der Sommer ausgebrochen: tropische Temperaturen, allein das Wasser auf 28 Grad erwärmt, an den Längsseiten Liegestühle und Sonnenschirme einladend plaziert, selbst der Bademeister schritt nicht in sterilem Weiß, sondern im roten Ringel-T-Shirt das Becken ab. Im Wasser herrschte ein lautes Geplansche auf Gummireifen und Schwimminseln und ein Geschwirre und Getobe von Väter-, Mütter-und Kinderstimmen - das, wenn nicht nach Hawaii, dann aber zumindest nach sonnigsten Bremer Freibadtagen klang.

In einer Ecke strahlten bunte Disco-Spots und ein Disc -Jockey mischte Whitney Housten mit den „Talking Heads“. An der Stirn

seite war - zum Inklusivpreis

von 11.11 Mark - ein Buffet auf

gebaut: mit Köstlichkeiten wie Ananas, Rollmops und heißer Gulaschsuppe.

Die Idee für dieses erste Bremer Neujahrs-Badevergnügen stammt von dem Geschäftsführer der „Gesellschaft für öffentliche Bäder“, Peter Naujokat. Er will Bremens Bäder attraktiver machen und läßt das Bremen Norder Hallenbad zum Spaßbad umbauen: „Dort werden die UV-Strahlen sogar durch das Dach hindurch bräunen.“ Organisiert hat das „Katerschwimmen“ die ABM-Sportlehrerin Vera Wegner. Gestern früh noch immer mit dem Aufblasen von Luftballons beschäftigt, war auch sie mehr als zufrieden mit der Resonanz: „Endlich mal etwas für die ganze Familie.“

Ein athletischer jüngerer Mann, Mitglied im Schwimmverein, vermißte allerdings eine abgetrennte Bahn für „sportliches Bahnenschwimmen“. Davon wiederum hielt eine Frau in den Fünfzigern wenig: „Ich will ja ein bißchen Unterhaltung haben. Zu Hause hätte man jetzt wieder nur vor dem Fernseher gehockt.“ Aber einen Kritikpunkt hat sie: „Eine Tanzfläche hätte man noch aufmachen sollen.“

An den runden Tischen neben dem Buffet sitzt derweil die siebzigjährige Dame mit den fön-getrockneten Wellen und frühstückt genüßlich im flotten lila Zweit-Badeanzug.

Barbara Debus

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