Utopie gegen rechts

120.000 Berliner wollen überzeugt werden  ■ K O M M E N T A R

Nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses demonstrierten rund zehntausend BerlinerInnen vor dem Rathaus Schöneberg gegen die „Republikaner“. Das war angesichts des schockierenden Ergebnisses der rechtsradikalen Partei auch durchaus angebracht. Wenn den AntifaschistInnen am Tag danach aber nicht mehr einfällt, als das Verbot dieser Partei zu fordern, ist der Kampf um die 120.000 Köpfe schon verloren, bevor er überhaupt begonnen hat. Es ist absurd, Ausländerfeindlichkeit und fremdenfeindliche Ressentiments gegen Aussiedler durch allierten Beschluß abschaffen zu wollen. Gerade die, die bisher den Berlin-Status kritisierten, sollten sich überlegen, was sie da eigentlich ins Gespräch bringen.

Ein Verbot der „Republikaner“ wäre bestenfalls ein hilfloses politisches Signal. Von einer politischen Strategie ist das weit entfernt. Die kommenden Demonstrationen gegen die Politik der REPs müssen in Berliner Eckkneipen stattfinden, in den Betonwüsten dieser Stadt, in den Arbeitervierteln. Die Linke muß endlich raus aus der Kreuzberger Bezugsgruppe und der Charlottenburger WG: Jetzt muß sie in einer Gegenoffensive beweisen, daß ihre gesellschaftspolitischen Entwürfe mehr zu bieten haben als rechter Populismus. Die 120.000 REP-WählerInnen leben nicht auf dem Mars, sondern in unserer Nachbarschaft. Man kann sie nicht über die Mauer jagen - ignorieren kann man sie seit gestern auch nicht mehr.

Diejenigen Sozialdemokraten und AL-Mitglieder, die nur „gegen rechts“ demonstrieren und der CDU die Sozial- und Ausländerpolitik überlassen, machen sich mitschuldig, wenn in Berlin eine deutsche „Front National“ entstehen kann. Was Berlin jetzt am nötigsten braucht, ist eine andere, eine praktische, eine rot-grüne Utopie.

Claus Christian Malzahn