: „Krieg der Steine“
■ Die 14jährige Palästinenserin Jamalat kämpft in der ersten Reihe gegen die Israelis
Washington (wps) - Zum ersten Mal verletzt wurde sie vor vier Monaten. Da durchschlug eine Stahlkugel mit Gummimantel ihren rechten Oberschenkel. Vor einem Monat dann traf ein Geschoß ihren rechten Oberarm. Beim dritten Mal, vor zwei Wochen, wurde die rechte Schulter getroffen. Mit ihren 14 Jahren ist Jamalat Abu Lulu eine „Veteranin“ im von den Palästinensern so bezeichneten „Krieg der Steine“ gegen die israelische Besatzung der Westbank und des Gazastreifens. Wenn die israelischen Soldaten sich blicken lassen, dann steht sie in den ersten Reihen der palästinenischen Jugendlichen in den staubigen Straßen des Rafah Camps im Gazastreifen. „Wir haben lange auf diesen Aufstand gewartet“, sagt sie trotzig. Bei den seit 17 Monaten anhaltenden Auseinandersetzungen werden immer mehr Palästinenser verletzt. Viele betonen, daß sie nur zugeschaut hätten und trotzdem von den Gummigeschossen getroffen worden wären. Nicht so Jamalat. Die Israelis, sagt sie, schössen ganz gezielt auf sie, weil sie eben mit Steinen und anderen Gegenständen auf die Soldaten werfe. Die letzte Verletzung holte sie sich, als sie mit Freunden Soldaten angriff, die einen 16jährigen Nachbarjungen schlugen. „Sie schlugen ihn, also griffen wir sie an. Das müssen wir doch tun. Schließlich ist er einer von uns. Und es ist unser Land.“ Und über Israelis, die das Land für sich beanspruchen, sagt sie: „Wir hassen sie alle. Die Intifada ist erst dann zu Ende, wenn wir unsere Flagge in Jerusalem hissen.“
Größtes Vorbild für Jamalat ist der älteste ihrer sechs Brüder, Farid (21), der wegen anti-israelischer Aktivitäten für vier Jahre ins Gefängnis mußte. „Wenn ich ihn dort besuche, reden wir über Politik.“ Drei andere Brüder wurden zu kürzeren Strafen verurteilt, zwei tauchten unter. Dem fünften Bruder, Walid (24), wurde vor zwei Wochen in die Brust geschossen. Mohammed, der Jüngste, ist zehn. Jamalat hat keine Zeit, überhaupt an Jungen oder Heirat zu denken. „Erst mal will ich Palästina befreien.“ Und ihr zukünftiger Beruf? „Ich werde in die Armee eintreten.“
Edward Cody
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