: Zweimal an Hitchcock erinnert
■ Heute spätabends gutes Kino in SAT1 und ZDF
Der Filmfreund hat es heute schwer. Spätabends bieten das ZDF und SAT1, ja Sie lesen richtig, gutes Kino.
Der öffentlich-rechtliche Kanal zeigt einen Thriller vom Komödienspezialisten Billy Wilder, den Alfred Hitchcock nicht hätte besser machen können („Zeugin der Anklage“, USA 1957, 23.15h).
Der Staranwalt Sir William Robarts fühlt sich herausgefordert. Es gibt kein Motiv, es gibt kein Alibi, es gibt nur einen Mord. Dieses Verbrechen soll der schöne Leonhard Vole begangen haben. Die Verteidigung übernimmt Sie Robarts, denn für ihn ist der Schönling harmlos wie ein Schaf.
Ganz anders verhält es sich mit Leonhards Ehefrau Christine, die das Alibi ihres Mannes nicht bestätigt. Sir Robarts will ihr undurchsichtiges Verhalten klären.
Dies würde sicherlich so laufen, wenn nicht Agatha Christie die Vorlage zu diesem Film geschrieben hätte, und so kann man beruhigt einige spektakuläre Wendungen erwarten. Marlene Dietrich als Christine und Charles Laughton als Anwalt!
Der private Kanal hält mit („China Blue bei Tag und Nacht“, USA 1984, 23 Uhr). Auch in diesem Film geht es um Verbrechenm, um eine geheimnisvolle Frau und an Hitchcock wird man ebenfalls erinnert. Anthony Perkins spielt nämlich einen mordlustigen Peepshow-Priester und das erinnert fatal an seine Rolle in „Psycho“. Kathleen Turner dagegen brilliert in einer Doppelrolle. Tagsüber ist sie die zugeknöpfte Modedesignerin Johanna, nächtens die warmherzige Straßenmnutte China-Blue. In sie verliebt sich typischer amerikanischer Enddreißiger. Er hat Probleme, die alle guten Amerikaner in seinem Alter haben; Aufstiegs- und Eheprobleme. Bei China-Blue findet er die dringend benötigte Zuwendung.
Das alles klänge banal, wenn nicht der Regiseur Ken Russel heißen würde. Er verbindet die drei Handlungsstränge so, wie man es von ihm erwartet, mit ausufernder bildhafter Phantasie. Ken Russels Filme waren immer für Überraschungen gut. Die einen waren begeistert von seinen opulenten Werken voller Respektlosigkeit, die anderen bezichtigten ihn des Kitsches, der Obszönität und der Geschmacklosigkeit wie bei seinen biographischen Filmen, in denen er die Heroen deutscher Musikkultur - Wagner, Mahler, Strauß - vom Sockel stürzte.
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