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Ballermänner und Spielmäuse

Die Sportkolumne von Hagen Boßdorf  ■  A B S E I T S S P A L T E

Mein Sohn ist jetzt ein Jahr und zwei Monate. Seine Lieblingssportarten sind Dreirad-Motorsport und Freistil -Planschen. Falls er später auch noch Sport treiben möchte, würde ich ihm aber Zehnkampf oder Handball empfehlen. Wegen des vielseitigen Trainings und wegen des Werfens. Mein Sohn wirft seinen Ball, Teddy oder unseren Quarzwecker nämlich schon satte zwei bis drei Meter weit. Kein schlechter Anfang, Weltspitze aber sicher nur in seiner Altersklasse.

Superwerfer hingegen gab es schon andere, zum Beispiel vor vielen Jahren einen rumänischen Volleyballer. Der wurde eines Tages von seinen handballspielenden Freunden zum Training eingeladen, weil sie von seinem sagenhaft scharfen Schmetterschlag gehört hatten. Der erste Wurf ging zwar am Tor vorbei, blieb jedoch den erschrocken-verwunderten Beobachtern gut in Erinnerung: Der Ball hatte die hinter dem Tor angebrachte Sprossenwand demoliert. Fortan flößte der Name dieses linkshändigen Kanoniers allen Torhütern mächtigen Respekt und gesunden Überlebenswillen ein: Georghe Gruia.

Dieser Mann sollte auch den DDR-Handballern noch eine große Fete vermasseln. Im Endspiel der Weltmeisterschaft 1970 in Frankreich fiel erst in der zweiten Verlängerung das entscheidende Tor. WM-Gold-Schütze für Rumänien: Gruia, wer sonst. Die jungen DDR-Burschen, jetzt in der CSSR nach Handballruhm strebend, könnten sich die Story von ihrem Trainer erzählen lassen. Der Ex-Rostocker Klaus Langhoff war bei der WM vor 20 Jahren dabei und als sechsfacher Torschütze Held des Viertelfinales gegen die BRD, was Walter Ulbricht sogar zu einem Glückwunschtelegramm bewegte.

Langhoff könnte seinem Schützling aber auch verraten, daß ein Ballermann alleine noch kein Handballspiel gewinnt. Er erinnert sich dabei vielleicht an den wieselflinken, spielgewitzten Christian Gatu, der als ehemaliger Basketballer seinem Meisterschützen Gruia unermüdlich die Lücken schuf und Rumänien zur Handballweltmacht dirigierte. Wurfrecke und Spielmaus Arm in Arm als Regisseure großer Siege.

Mit Borcherdt und Wahl hat die DDR zwei qualitätserprobte Aufbauspieler. Aber den Fadenknüpfer zwischen ihnen sehe ich nicht. Wer hat soviel intelligenten Spielwitz, mit dem er selbst die furchteinflößenden Abwehrrecken der UdSSR überlisten wird? Nur mit einer positiven Antwort auf diese Frage könnten die Langhoff-Schützlinge das Souvenir erobern, das ihr Trainer heute vor 20 Jahren gewann: eine WM -Medaille.

Meinen Wunsch vom Handballer-Sohn kann ich mir also auch nur erfüllen, wenn der Sprößling nicht nur Wurf-, sondern auch Denkstärke besitzen wird. Ein Grund mehr, ihm diese Sportart zu empfehlen. Und seinem Trainer werde ich in 20 Jahren trotzdem nicht verraten, daß sie die Sprossenwand hinterm Tor besser abbauen sollten...

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