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Kein Urteil über Beteiligung am Hungerstreik

Düsseldorfer Oberlandesgericht regt Verzicht auf Anklage wegen Beteiligung am RAF-Hungerstreik an /Bundesanwaltschaft schweigt  ■  Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Der 6. Strafsenat des Düsseldorfer Oberlandesgerichts hat die Bundesanwaltschaft aufgefordert, in dem Prozeß gegen den wegen Mitgliedschaft in der RAF angeklagten Thomas Kilpper, auf eine Anklage wegen Beteiligung am letzten RAF -Hungerstreik zu verzichten. Den Vorwurf der Mitgliedschaft in der RAF begründet die Bundesanwaltschaft in der Anklage gegen Kilpper u.a. auch mit dessen Teilnahme an diesem Hungerstreik. Der Vorschlag des Gerichts zielt darauf ab, das Verfahren auf den wesentlichen Kern zu beschränken und den Prozeß zu beschleunigen.

Eine Verurteilung des seit eineinhalb Jahren in Untersuchungshaft einsitzenden Kilpper auch wegen der Beteiligung am Hungerstreik durch das Oberlandesgericht würde ein folgenschweres Exempel in der bundesdeutschen Rechtsgeschichte statuieren. Eine solche obergerichtliche Entscheidung ließe es zu, gegen jeden Hungerstreikbeteiligten ein neuerliches Verfahren wegen „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ einzuleiten. Das Hungern und damit der Einsatz des eigenen Lebens als letzte Möglichkeit der Gegenwehr von Gefangenen, käme einer „terroristischen Straftat“ gleich und hätte neue Haftstrafen zur Folge.

Oberstaatsanwalt Fernholz verweigerte bisher eine Stellungnahme zum Vorschlag des Gerichts, den Anklagepunkt „Beteiligung am Hungerstreik“ fallenzulassen. Mit Blick auf eine Demonstration von rund 150 Menschen gegen die Kriminalisierung des Hungerstreiks erklärte Ankläger Fernholz, „unter dem Druck der Straße“ gedenke er sich nicht zu äußern.

Im Verfahren gegen Kilpper hält das Gericht nun den Anklagepunkt Hungerstreikbeteiligung für unbedeutend. In der Hauptsache müsse der Angeklagte im Falle einer Überführung mit „einer empfindlichen Freiheitsstrafe“ rechnen, heißt es in dem Senatsbeschluß.

Tatsächlich rankt sich der gesamte Prozeß um die Bewertung von Schriftstücken, die die Bundesanwaltschaft dem Angeklagten zurechnet und die laut Anklage begründen, daß Kilpper die „Führung“ einer sogenannten „Kämpfenden Einheit“ innehatte. Da es in diesem Verfahren keine Tat und kein Tatgeschehen gibt, treten als Zeugen auch keine Tatzeugen, sondern im wesentlichen Polizeibeamte auf, die sich zu Papieren und Dokumenten äußern, die in Kilppers Wohnung aufgefunden wurden. Hinzu kommen jene politischen Papiere, die man in einer am 11. Januar 1988 in Düsseldorf zufällig gefundenen Segeltuchtasche sicherstellte, die Kilpper gehören soll.

Die Vernehmung eines BKA-Beamten hat ergeben, daß die Behörden Kilpper seit diesem Fund beobachteten. Erst neun Monate später, am 9.September 1988 wurde Kilpper in seiner Düsseldorfer Wohnung verhaftet. Daß den Beschattern vom Bundeskriminalamt neun Monate lang nicht ein einziges die Anklageerhebung stützendes Detail aufgefallen ist, gilt den Verteidigern als Beleg für die Abstrusität der Anklage.

Die Bundesanwaltschaft bestreitet die Dauerobservation. Eine Aufklärung dieses Sachverhalts wird dem Gericht vom Bundesinnenministerium verwehrt. Eine Herausgabe der Observationsberichte und -vermerke „haette schwerste schaeden fuer die kuenftige aufgabenerledigung der Polizei zur folge“ telexte der Innenminister dem Gericht.

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