Innenminister Schäuble will DDR als BRD-Kopie

■ Bericht des Innenministeriums fordert Übernahme des Grundgesetzes und der Staats- und Verwaltungsstrukturen auf die DDR / Diskussion über eine neue gesamtdeutsche Verfassung würde „Verunsicherung in der Bevölkerung“ schaffen und zuviel Zeit kosten / BGS an die Oder?

Berlin (taz) - Die DDR soll im Prozeß der Wiedervereinigung nicht nur das Grundgesetz der Bundesrepublik vollständig übernehmen, sondern auch deren Staats- und Verwaltungsstrukturen kopieren. Das schlägt Bundesinnenminister Schäuble in einem bisher internen Bericht zum Thema Verfassungsdebatte vor, der am Mittwoch im Kabinettsausschuß „Deutsche Einheit“ beraten werden soll.

An dem Bericht, über dessen Einzelheiten die 'Frankfurter Rundschau‘ am Wochenende berichtete, sollen auch das Arbeits -, Finanz- und Justizministerium mitgewirkt haben, so daß davon auszugehen ist, daß er von breiten Regierungskreisen getragen wird. Das Bundesinnenministerium wendet sich in seiner Stellungnahme gegen den Weg, die Wiedervereinigung über den Artikel 146 des Grundgesetzes zu vollziehen. Danach könnte die Bevölkerung beider deutscher Staaten über eine noch zu schaffende gesamtdeutsche Verfassung neu entscheiden.

Der Schäuble-Bericht votiert stattdessen für einen Beitritt einzelner Bundesländer in das Staatsgebilde Bundesrepublik nach Artikel 23 des Grundgesetzes. Eine solche Regelung hätte laut Schäuble den Vorteil, in der Bundesrepublik „keine Verunsicherung in der Bevölkerung“ über die gewachsenen Strukturen zu schaffen.

Zeitraubende Volksabstimmungen, die den Wiedervereinigungsprozeß und die wirtschaftlichen Investitionen bremsen könnten, seien überflüssig, meint der Ministerbericht. Offenbar sollen mit diesem Vorschlag auch die Diskussionen über die Reformbedürftigkeit der BRD -Verfassung abgeblockt werden, denn bei einer bloßen Übernahme des Grundgesetzes durch die DDR könnten Verfassungsänderungen nur mit einer Zweidrittel Mehrheit durchgesetzt werden.

Der Schäuble-Vorschlag verschreibt der DDR jedoch nicht nur die Integration in die Bundesrepublik, sondern fordert bis ins Detail auch eine Kopie der Staats- und Verwaltungsstrukturen. So soll die Verwaltung der DDR nach bundesrepublikanischem Ebenbild in Kommunen, Länder und Bund eingeteilt werden. Nach Schäubles Plänen sollte die DDR die Einführung eines Berufsbeamtentums übernehmen und ganze Institutionen gleich gänzlich übernehmen. BKA und bundesdeutscher Verfassungsschutz könnten einfach ihre Arbeit auf das Staatsgebiet der DDR ausdehnen, schlägt der Ministerbericht vor. Schon Ende letzter Woche war über Pläne des Bundesinnenministeriums spekuliert worden, dem im grenzenlosen Europa unterbeschäftigten Bundesgrenzschutz ein neues Tätigkeitsfeld zu verschaffen: Der BGS könnte doch an die Oder verlegt werden und an der umstrittenen Grenze zu Polen Wache schieben.

vg