Stendal: 10.000 gegen AKW-Bau

■ Die Bürgerbewegung gegen die Risiken der Atomkraftwerke nahm in Stendal ihren Auftakt

Stendal (taz) - Die Anti-AKW-Bewegung in der DDR erlebte gestern am Haupttor der Großbaustelle Stendal ihre Feuertaufe. Gut und gerne 10.000 DemonstrantInnen zogen aus dem 100-Seelen-Örtchen Dalchau zu den zwei bisher errichteten 150 Meter hohen Kühltürmen am Bauzaun.

Gorleben-Stendal

Eine deutliche Mehrheit der AKW-GegnerInnen war aus Westberlin, der Bundesrepublik und insbesondere dem Landkreis Lüchow-Dannenberg angereist, wo der Widerstand in der BRD lange Tradition hat. Da sollte ursprünglich eine Wiederaufarbeitungsanlage für Brennstäbe gebaut werden. Aufgrund des erheblichen Widerstands mußte der niedersächsische Ministerpräsident Albrecht erkennen, daß dies „politisch nicht durchsetzungsfähig“ war. Seit 13 Jahren soll nun dort ein Endlager für hochradioaktive Brennelemente errichtet werden. „Gorleben - Stendal: Radioaktitivät kennt keine Grenzen“ hieß es denn auch auf einem der zahlreichen Transparente.

Die DemonstrantInnen verlangten einen sofortigen Baustopp in Stendal und für die knapp 10.000 auf der AKW-Baustelle Beschäftigten Ersatzarbeitsplätze im Bereich der Energieeinsparung und der regenerativen Energietechnik.

Eine Sprecherin aus Gorleben erinnerte mit Blick auf den schleppenden Baufortgang in Stendal - nach 16 Jahren Bauzeit ist einer von vier geplanten Reaktorblöcken zu einem Drittel errichtet - daran, daß der Westkonzern Siemens-KWU die Baustelle lieber heute als morgen übernehmen wolle. Abreißen, Neubauen lautet die Parole der westlichen Reaktor-Geschäftsleute.

Mit einer spontanen und symbolischen Besetzung der Großbaustelle erlebte die erste überregionale AKW -Demonstration in unserem Land einen auch für die Veranstalter überraschenden Auftakt. Der verrottete Sicherheitszaun um das sieben Quadratkilometer große Gelände an der Elbe stellte für die in handfesten Auseinandersetzungen erfahrenen westdeutschen AKW-Gegner kein nennenswertes Hindernis dar. Als eine halbe Hundertschaft Polizei ausrückte, zogen sich die „Besetzer“ ohne weitere Zwischenfälle zurück.

Wolfgang Daniels, Bundestagsabgeordneter der Grünen in Bonn, meinte auch angesichts des sonnig-stürmischen Wetters: „Ein ermutigender Auftakt für eine starke Anti-AKW-Bewegung in der DDR.“

gero