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Wer hat im Palast das Sagen?

Wer am Sonntagabend bei der Wahlsendung im „Palast der Republik“ dabeisein will, muß sich von ARD und ZDF einladen lassen. Die beiden haben gemeinsam mit dem Deutschen Fernsehfunk (DFF) den Nobelbau kurzerhand gemietet und auch gleich die Regie übernommen.

Es habe in Vorbereitung der Wahlsendung ein „Vakuum der Entscheidungsbefugnisse“ gegeben, erklärte gestern Helmut Hartung, Leiter der Wahlredaktion des DFF. Niemand fühlte sich für die Einrichtung von Wahlstudios zuständig. Die Wahlkommission sei völlig überlastet, und Regierungssprecher Wolfgang Meyer habe gar erlärt, das sei schon deshalb nicht Aufgabe der Regierung, weil es die am 18. März ja gar nicht mehr gäbe.

So ist es kaum noch verwunderlich, daß die drei Fernsehanstalten im Palast beinahe nach Gutdünken schalten und walten können. Insgesamt zwei Drittel der Gästekarten sollen DDR-BürgerInnen vorbehalten bleiben, das restliche Drittel sei für Politprominenz aus der Bunesrepublik. Allein die Notwendigkeit einer solchen Quotenregelung zeigt, wer wohl der (eigentliche) Herr im Palast des Volkes ist.

Zumal kaum vorstellbar ist, daß solch ein monströses Medienspektakel ohne technische Unterstützung von außen realisierbar gewesen wäre. So kann jederzeit zu den Wahlparties der meisten Parteien und Bürgerbewegungen geschaltet werden, außerdem stehen Ü-Wagen in Rostock, Leipzig, Dresden, Erfurt und Westberlin, um Reaktionen und Meinungen einzuholen. Im Palast werden fortlaufend Prognosen und Hochrechnungen des Infas-Instituts Bonn Bad Godesberg als auch offizielle Wahlergebnisse veröffentlicht. Gegen 22 Uhr stellen sich in der Sendung „Politiker nach der Wahl“ sechs Parteivorsitzende den Fragen je eines Journalisten der ARD, des ZDF und des DFF. Ein straffes (Fernseh-) Programm also.

Trotzdem müssen sich die Verantwortlichen der Regierung und der Wahlkommission die Frage gefallen lassen, warum sie zur Vorbereitung einer umfassenden und objektiven Information so wenig beigetragen haben. Einige DDR-Politiker, vom Westfernsehen für Sonntagabend in den Palast der Republik geladen, sollen pikiert gefragt haben, welche Republik da eigentlich gemeint sei. Dabei können sie sich doch glücklich schätzen. Bei ARD und ZDF sitzen sie in der ersten Reihe. Noch.

Dirk Winkler

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