: Geld und gute Worte
■ Vom großen Spektakel im Palast der Republik
Die monströse Show brachte eine Vorahnung dessen, was künftig auf uns zukommen wird. Die neuen Hausherren Bundesprominenz aus Politik und Medien - wandelten denn auch mit einer Selbstverständlichkeit durch die Räume, als würden sie hier schon seit Jahren ein und aus gehen. So nahm es auch nicht Wunder, daß der stellvertretende Vorsitzende der CDU (West), Heiner Geißler, über den künftigen Verwendungszweck des Gebäudes schon entschieden hatte: „Wenn Berlin die Hauptstadt des vereinigten Deutschland wird, dann brauchen wir auch Gebäude für alle möglichen Behörden, Verwaltungen und so weiter.“
Die Hektik, die nach der Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen ausbrach, steigerte sich mit dem Eintreffen der Spitzenpolitiker bis zur Unerträglichkeit - der Höhepunkt war erreicht, als ein wildgewordener Haufen den Stand des Deutschen Fernsehfunks stürmte, während dort der Sieger des Abends, Lothar de Maiziere Martin Kirchner ihre Statements abgeben.
Der Wahlsieg der CDU, der Allianz für Deutschland insgesamt, deren Ursachen und Auswirkungen - die taz sprach in den wenigen Minuten, in denen der trouble etwas abzuflauen schien, mit verschiedenen Politikern. Auffällig war zuerst eines. In ungewohnter Bescheidenheit versuchten alle Politiker der West-CDU, ihren ja wahrlich nicht kleinen Anteil am Allianz-Sieg herunterzuspielen. Heiner Geißler: „Was heißt hier Schützenhilfe für die Allianz? Natürlich war es wichtig, daß wir uns engagiert haben - aber angesichts der alten Kommunisten, die hier noch überall an den Hebeln der Macht sitzen, war das doch nicht mehr als ein notwendiger Ausgleich. Doch kam von uns weniger Geld oder Material als vielmehr organisatorische Hilfe.“ So der stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU, dem irgendwie die zweistellige Millionensumme, die seine Partei an die Allianz überwiesen hatte, entfallen war. Kann ja mal vorkommen. Die gezahlten D-Märker waren auch für Geißlers Nachfolger im Amte des Generalsekretärs der CDU, Volker Rühe, kein Thema: „In einer Demokratie entscheiden die Bürger - und die haben entschieden.“ Trotzdem, ist es nicht ein wenig unfair, den, sagen wir mal, Leuten vom Neuen Forum gegenüber, die ja kaum etwas vom D-Mark-Segen abbekamen? Ach was! Alles eine souveräne Entscheidung der DDR-Wähler, denn: „Die Leute wollten jetzt politische Parteien, insofern ist die Entwicklung weitergegangen - über das Forum hinaus.“
So gesehen, denk ich mir, hat die CDU lediglich ein wenig Entwicklungshilfe geleistet. Die Krone der Bescheidenheit allerdings gehört - wie so oft - dem Heinrich Lummer: Unterstützung für die „Allianz“? „Ich glaube nicht mal, daß diese Unterstützung erfolgt ist. Wer wirklich sehr masiv geklotzt hat, ist
die SED - da wolln wir uns mal gar nichts vormachen.“
Alles paletti, alles okay? Egon Bahr sieht das ein wenig anders. „Ich habe bereits heute nachmittag gesagt, der Wahlkampf in der DDR trug teilweise faschistoide Züge. Das habe ich geäußert, bevor ich die ersten Zahlen zu Gesicht bekam, und dabei bleibe ich. Ich hoffe, daß diese Art von politischer Umweltverschmutzung, die München und das Adenauer-Haus in die DDR exportiert haben, daß wir dies nicht re-importieren.“
Und die Einheit - wird die nach seiner Meinung nun auf dem schnellsten Wege über die DDR hereinbrechen? „Nee! Das glauben Sie doch alleine nicht!“ Aber das wurde doch von „Allianz“ und West-CDU stets und ständig verkündet? „Entschuldigung, aber Sie haben die Sache noch immer nicht richtig kapiert! - Die haben lediglich den Eindruck erweckt, wenn die Leute sie wählen, kommen der Anschluß und das Geld ganz schnell. Doch vor zwei Tagen hat nun der Bundeskanzler gesagt: Nein, so schnell geht's nicht. Jetzt kann er sich darauf berufen, daß er noch vor der Wahl gesagt hat, daß das alles noch ein bißchen dauert - wissend, daß das die Menschen nicht mehr hören und wohl wissend, daß die Illusion, die er selbst erzeugt hat, nicht mehr kaputtgemacht werden kann.“
Was soll man nun glauben? Doch da kommt einer, der sieht so aus, als hätte er auf jede Frage eine Antwort - weiß vielleicht Johannes Rau, wann D-Mark einig Vaterland das hiesige Wahlvolk beglücken wird? „Das weiß ich nicht. Der Kanzler ist da prophetisch tätig, ich will mich da nicht einmischen.“
So bleibt für uns arme Ossis wohl das, worin wir doch schon seit Jahrzehnten geübt sind: Abwarten.
Olaf Kampmann
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