: „Dies Haus ist unser Haus“
■ Erstes Antifa-Cafe Sachsen-Anhalt in Halle eröffnet/ Anzeige gegen Besetzer zurückgezogen
„Rotes Autonomes Haus“ nennen sie diese Bruchbude, vier Stock werke hoch und vom Schwamm zerfressen. Seit rund fünf Jahren steht es lehr, seit dem 2. März aber sind sie drin: Claudia und Doris, Steffen, Torsten, Ramona. Sie sind Medizinstudenten, Reichsbahner, Krankenschwestern und Schlosser. Fünfzehn junge Leute, allesamt sich der alternativen Szene zugehörig fühlend und befreunndet schon lange vor der Wende, als man sich in unabhängigen Friedenskreisen und Umweltgruppen traf.
„Dies Haus ist unser Haus“, haben sie unübersehbar an den bröckligen Fassadenputz gepinnt, direkt unter die DDR-Fahne, die auch nach der Wahl genau so schmutzig und trotzig aus dem Fenster der obersten Etage hängt. Eine Kampfansage an den real expandierenden Kapitalismus?
Doch scheint der öffentlichkeitswirksam angemeldete Besitzanspruch nicht mehr als ein frommer Wunsch - die KWV, Rechtsträger des Hauses, hält nach wie vor am Bestehen des Mietvertrages mit der örtlichen HO-Abteilung fest, obgleich diese seit Jahr und Tag angestrengt totales Desinteresse an Haus und dazugehörigem Geschäftsraum im Erdgeschoß demonstriert.
„Wir werden das Gebäude dem geben, der es zu den günstigsten Konditionen übernimmt“, erfuhren die Besetzer während eines ersten Gespräches mit Stadtbezirksbaudirektor Renzel. Das müßte dann schon jemand mit Geld und Material sein, meinte er.Mit solchen Sprüchen bereitet sich die KWV auf Zeiten vor, in denen die Rechtslage wieder klar und der Staat wieder bissig ist, um dann dem ganzen „Initiativenspuk“ ein kommerzielles Ende zu setzen.
Durch den Hausverwalter Bindernagel von der KWV, wurde den jungen Leuten bereits Sachbeschädigung (!) vorgeworfen. Vergeblich fand die Beseitigung von einer viertel Tonne Müll und Schutt, von Bauarbeiten und anderen offensichtlichen Renovierungsmaßnahmen, statt.
Am Wahltag nun haben sie gefeiert. Ihr Antifa-Cafe wurde Paterre eröffnet. Einige hundert Gäste waren da, um Kaffee und Tee zu trinken, um „echte“ Musik zu hören, um zu quatschen. Auch sind massenhaft Hilfsangebote gekommen, über 400 Unterschriften wurden gesammelt und da und dort schoben sogar Leute aus der Nachbarschaft kleine und größere Scheine über die Theke des Cafes.
Karsten, einer der Sprecher der Besetzer, erzählt von den Hoffnungen, die sie alle haben. Freiwillig gehen wir nicht, sagt der Schwarzhaarige selbstbewußt. Ihrer aller Anspruch: „Wir haben das angefangen und wir ziehen das jetzt durch. Zuerst einmal müssen wir das Cafe richtig in Gang kriegen. Das ist das Wichtigste. Anschließend dann sollen die oberen Etagen in Ordnung gebracht werden - denn Aussicht auf Wohnraum anderswo haben die wenigsten hier.“ Ganz neu ist die Angst vor dem kommenden Samstag. Dann werden, darauf deuten einige Anzeichen hin, noch ansässige Skins Verstärkung von „Anhängern“ des FC Berlin erhalten, der an diesem Tag gegen den HFC Chemie spielt. Ein Sturm auf das autonome Haus ist angekündigt.
Was tun? Steffen und der Leiter des Cafes schauen herab, erklären die Absicht der Besetzer und erläutern: „Wir machen ganz normal auf und wollen versuchen, mit den Skins zu reden, um mit ihnen das Problem zu klären. Für den Notfall bereitet man sich darauf vor, daß Gebäude „dicht“ zu machen. Genügend Öffentlichkeit vorausgesetzt, wird es soweit nicht kommen,
rechnen die Besetzer.
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