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Who is who in der SU?

■ Kleine Übersicht über die verschiedenen sowjetischen Sicherheitsorgane Wer greift wo und wann ein ? / Gorbatschow hat die oberste militärische Gewalt

Berlin (taz) - Um der beträchtlichen Unsicherheit innerhalb wie außerhalb der taz, welche sowjetischen Truppen/Milizen sich gerade wo durch Litauen bewegen, ein Ende zu setzen, hier der Versuch einer Systematik: Die oberste militärische Gewalt in der UdSSR hat Gorbatschow als Präsident und Vorsitzender des nationalen Verteidigungsrates, dem die Rote Armee, das KGB und die Streitkräfte des Innenministeriums unterstellt sind. Die Rote Armee hat formell nur militärische Aufgaben, was sie allerdings nicht hinderte, mehrere Gebäude in Vilnius zu besetzen. Die Grenzsicherung obliegt nicht ihr, sondern den Grenztruppen des KGB, insgesamt mehreren Hunderttausend Mann. Diese Grenztruppen wurden in den letzten Tagen in Litauen verstärkt.

Die Armee unterhielt bis vor kurzem ebenfalls Grenzsicherungstruppen. Sie sind mittlerweile ebenso wie die Truppen des Eisenbahnschutzes aus der Armee ausgegliedert worden. Das Komitee für Staatssicherheit (KGB), eine selbständige Behörde im Ministerrang und unter der Kontrolle der Parteiführung, widmet sich außerdem der unionsweiten Verbrechensbekämpfung, der Abwehr, Gegenspionage und dem Kampf gegen „Verfassungsfeinde“, was in der Vergangenheit seinen traurigen Ruhm begründete. Das KGB ist der Zentrale unterstellt. Es gibt allerdings auch KGBs der Unionsrepubliken, die dem Obersten Sowjet der jeweiligen Unionsrepublik unterstehen, faktisch aber dem Kommando der Zentrale unterworfen sind. Das Innenministerium (MWD) unterhält Truppen in Höhe von 300.000 Mann, die ebenfalls zur unionsweiten Verbrechensbekämpfung, z.B. als Anti-Mafia -Einheiten eingesetzt werden, ferner bei Demos, Streiks, Massenveranstaltungen und als Objektschutz. Zu den Truppen des Innenministeriums gehören die in der taz erwähnten Speznas, Spezialeinheiten, die beim Ausbruch von Nationalitätenkämpfen eingesetzt werden. Diese schnelle Eingreiftruppe - vergleichbar den GSG-9-Einheiten - wird gegenwärtig sehr schnell ausgebaut, ist allerdings bis jetzt in Litauen nicht aufgetaucht.

Die Polizei, in der Sowjetunion Miliz geheißen, ist nur auf der Ebene der Unionsrepubliken tätig, hängt aber in Ausrüstung und Ausbildung von der Zentrale ab. Die Miliz unterhält in den Großstädten ebenfalls „Ordnungs„truppen, die z.B. bei Demonstrationen eingesetzt werden können. Die Milizen orientieren sich eher an der politischen Linie der jeweiligen Unionsrepublik. In der russischen Föderation sind in den letzten beiden Jahren Freiwilligeneinheiten einer Arbeiterhilfspolizei einstanden, die für die Verbrechensbekämpfung ausgebildet werden, aber auch als politische Hilfssheriffs tätig werden können.

Auf der Ebene der Unionsrepubliken schließlich gibt es paramilitärische Vereinigungen, die der früheren Gesellschaft für Sport und Technik in der DDR vergleichbar sind. Es sind diese Vereinigungen, die in Litauen in den letzten Tagen ihre Waffen abgeliefert haben - nicht die Privatleute, die die entsprechende Aufforderung ignorierten.

C.S.

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