: 16mm-Poesie plus Lieder-Mache
■ Kunst-Duo Amme / Weller zeigte ein „Panoptikum“ im Bürgerhaus Vegesack
In Vegesacks Mitte hat es einen riesig ungemütlichen Gebäudekomplex mit einem Wärmepunkt irgendwo darin, der Bar. Und hier ein Panoptikum? In den Bürger-Bau waren 10 junge Leute um die 20 gekommen, wirkten verloren im Kinoraum und ließen sich unterhalten vom versponnenen Programm von Achim Ammme und Klaus Weller, zwei Künstlern, doppelt so alt. Abwechselnd spulten sie ihr Programm ab, einer von hinten Vorführraum (Weller), einer von vorn - Bühne (Achim, die Amme, die alles kernig moderierte). Schwarz-Weiß-Film -Melancholie, experimentell durchwuselt von Unordnung, harten Eiern, Goldwürmchen und Würstchen, von 50er-Jahre -Kinderphotos und zeitgerafften Verfolgungsjagden, dezent vertont und klavierbeklimpert, wie aus einer anderen Zeit. Radikal-de
mokratisch die Statements von Passanten der 70er: „Ich liebe dich / ich nicht / ich hasse dich.“ Sowas macht doch heute keiner mehr: auf der Straße die Leute anhauen und filmen. Es sei denn für ein ernsthaftes Interview. Der Komplex Vegesack wirkte dem Liebreiz der 7 Kurzfilme entgegen. Genau, das war's - das Prinzip der kalkulierbaren Nutzbarkeit in Beton, dem wirkt die Kunst entgegen - mit Augenlust, mit Ohrenschmaus, mit multimedialer Verführung, mit hier und jetzt. Das „Panoptikum“ ist Sammelsurium der Produktivität zweier Männer, um der verachteten Nutzbarkeit zu entkommen.
Da stellt sich einer auf irgendwelche Vorstadt-Bühnen Theaterroutine hat er aus Schauspielzeiten - und singt altmodisch Reinhardt-Mey-mäßige Liedchen mit der Gitarre und dem
Mundharmonikagestell auf der Brust! Diese Männer, einfach irre. Hin- und hergerissen zwischen Neid, Bewunderung und Gleichgültigkeit gegenüber glatter männlicher Professionalität lausche ich den lyrischen Liedern. Warum sind Frauen nie so dreist? Er hat es ziemlich drauf, der Achim Amme. Das Klischee der verruchten Hure Babylon latscht er zwischendurch aus bis zum Wegdösen. “...Du pflanzt Haß, der mit Verachtung hurt, was Liebe ist, das hast Du nie erfahren.“ Aber in den Lyrikbändchen, die er feilbietet, findet sich manch hintergründig einfaches Bild zum Thema Mann liebt Frau, das im Kopf bleibt. Trotz der kleinen Widrigkeiten freut das Publikum und mich das Panoptikum der eigen-sinnigen Selber-Macher.
gür
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