Plötzlich wird in Berlin verhandelt

■ Im einem Bezirk Angebote an HausbesetzerInnen/ Mehrheit will zuerst die Häuser in der Mainzer Straße zurückhaben/ Erneut Demonstration gegen die Räumungen

Berlin (taz) - Man möge ihm ja Zynismus vorwerfen, erklärte am Wochenende ein Ostberliner Bezirkspolitiker nach einer Pressekonferenz in einem besetzten Haus, „aber vielleicht führen die Ereignisse in der Mainzer Straße dazu, daß jetzt schneller verhandelt wird.“ Erste Verhandlungserfolge zwischen Wohnungsbaugesellschaft und BesetzerInnen im Prenzlauer Berg scheinen dem Mann recht zu geben — selbst der „Runde Tisch“ wurde wieder eingeführt.

Zwar erklärte am Freitag das Plenum von Vertretern etwa 80 besetzter Häuser, man fühle sich zu Verhandlungen nicht in der Lage, solange die geräumten Häuser in der Mainzer Straße nicht zurückgegeben, die Polizei abgezogen und die Verhafteten freigelassen seien. Gestern aber präsentierte Siegfried Zoels, stellvertretender Bezirksbürgermeister und Gesprächsleiter, das Verhandlungsresultat: den BesetzerInnen der über 30 Häuser im Stadtteil hat die zuständige Wohnungsbaugesellschaft zunächst zugesichert, „ihren Aufenthalt in den Häusern zu dulden“, die Häuser also nicht räumen zu lassen. Von Seiten der Wohnungsbaugesellschaft wurde zudem der Entwurf eines Vorvertrages mit den Instandbestetzer Innen vorgelegt. Die nächste Verhandlungsrunde soll in vier Tagen stattfinden.

Mit Parolen wie „Räumt den Senat und nicht die Häuser“ begann am Sonntag Nachmittag erneut eine Demonstration gegen Räumungen und für Verhandlungen. Die über 4000 DemonstrantInnen trafen in der Berliner City auf ein massives Polizeiaufgebot, das unter anderem Wasserwerfer auffuhr, sowie auf Einheiten des Bundesgrenzschutzes. Bei Vorkontrollen wurde zwei Demonstranten festgenommen.

Innensenator Erich Pätzold (SPD) unterstrich am vergangenen Wochenende den Willen zu einer friedlichen Lösung des Hausbesetzer-Konflikts: „Wir werden auf alle Eigentümer einwirken, keine Räumungsanträge zu stellen“. Im Schöneberger Rathaus verteidigte er erneut den Polizeieinsatz als „diszipliniert, rechtsstaatlich und verhältnismäßig“. Zu den Vorwürfen der ehemaligen Bewohner der geräumten Häuser in der Mainzer Straße, die Polizei hätte in den Häusern Prügelorgien gefeiert, erklärte Pätzold, er selbst habe von Polizeiübergriffen bisher nichts gehört. Pätzold forderte alle Betroffenen auf, Strafanzeige zu erstatten — er werde Anzeigen konsequent nachgehen. Auch den behaupteten Einsatz von Gummigeschossen dementierte der Senator. Weder die Berliner Polizei noch die Einsatzkräfte aus den alten Bundesländern und der Bundesgrenzschutz seien mit diesen Waffen ausgerüstet. Bisher wurden nirgendwo Hartgummiprojektile aufgefunden. Anb/diak