: Ohne Versicherung kein Visum
■ Sozialverwaltung fühlt sich für die an der böhmischen Grenze festsitzenden 163 bosnischen Flüchtlinge nicht zuständig/ Keine Krankenkasse zur Versicherung bereit
Berlin. Ob die 163 an der böhmischen Grenze festsitzenden Flüchtlinge aus Bosnien nach Berlin kommen können, ist weiterhin ungeklärt. Wie berichtet, hat sich die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg zur Unterbringung und Erstversorgung unter der Bedingung bereit erklärt, daß sie nicht die Krankenkassenkosten übernehmen muß.
Eine Sprecherin der Sozialverwaltung erklärte gestern, daß Sozialsenatorin Stahmer (SPD) bezüglich der Kostenübernahme die Hände gebunden seien. Das Land Berlin könne nur für die zugewiesenen Kontingentflüchtlinge aufkommen. Für alle privat einreisenden Flüchtlinge sei der Paragraph 84 Ausländergesetz bindend: Die Flüchtlinge müssen eine Einladung vorlegen, in der sich der Gastgeber zur Übernahme der Lebenshaltungs- und Krankenversicherungskosten bereit erklärt. Die Einladung der evangelischen Kirche liegt längst vor, aber der Teufel steckt im Detail. Wie berichtet, sieht sich die Kirche außerstande, die Krankenversicherung für die 163 Flüchtlinge zu übernehmen. Hintergrund ist, daß mittlerweile keine Krankenversicherung mehr zur Versicherung bosnischer Flüchtlinge bereit ist.
Die Referatsleiterin des bundesweiten kirchlichen Maklers für Versicherungsschutz »Ecclesia«, Jutta Soyd, bestätigte gestern, daß alle in Frage kommenden privaten Krankenversicherungen seit drei Wochen keine bosnischen Flüchtlinge mehr versicherten. Die Krankenkassen hätten dies mit den hohen Krankenkosten der Flüchtlinge begründet, die 300 Prozent über den Einnahmen der Prämien lägen. Die normalen Versicherungstarife für ausländische Touristen belaufen sich auf einen Tagessatz zwischen 1,00 und 3,15 Mark. Soyd vertritt die Auffassung, daß der Versichungsschutz der Flüchtlinge von den Ländern oder dem Bund übernommen werden müsse. Bayern und NRW gingen hier bereits mit gutem Beispiel voran. In der Praxis sehe das so aus, daß sämtliche Flüchtlinge, egal ob sie im Rahmen eines »Kontingents« oder privat eingereist seien, als erstes von Bundeswehrärzten untersucht würden und wenn erforderlich in kommunalen Krankenhäusern auf Staatskosten behandelt würden. »Über kurz oder lang«, so Jutta Soyd, »kommen die Bundesregierung und die anderen Länder um eine ähnliche Regelung nicht herum«.
Unterdessen wurde der Probst der evangelischen Kirche, Karl-Heinrich Lüdcke, von der Sozialverwaltung wegen der 163 festsitzenden Flüchtlinge an das Bonner Innenministerium verwiesen. Das Bündnis 90/Grüne bezeichnete es gestern als »nachgerade grotesk«, das Entrinnen aus der Hölle von Sarajevo und Gorazde vom Abschluß einer Krankenversicherung in Deutschland abhängig zu machen. plu
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