: Alle Ideen sind Kunst...
■ Kunst zum Ausschneiden (10) / Ein Rundgang durch die Weserburg in 13 Stationen
Das kühle Material entfaltet seine sinnliche Ausstrahlung erst langsam Foto: Jörg Oberheide
„Alle Ideen sind Kunst...“, „... wenn sie sich auf Kunst beziehen und innerhalb der Konventionen von Kunst liegen“, lautet Punkt 17 der theoretischen Schrift 'Sätze über konzeptuelle Kunst' von Sol LeWitt. Der amerikanische Konzept- oder Ideen- Künstler führt letztere auch aus, er macht seine Konzepte sichtbar. Dabei verwendet er einfache Formen, häufig das Quadrat, das er bei der Realisierung seiner Skulpturen zum räumlichen Kubus entwickelt. LeWitt arbeitet nach einem vorgefaßten Plan, um subjektive Bildwelten zu vermeiden und Kreativität zu reduzieren. Seine modularen Kuben sind austauschbar, sie sprechen eher den Verstand als das Auge des Betrachters an. ABCD 5 heißt die Arbeit Sol LeWitts von 1968 in der Weserburg. Sie besteht aus einer weiß lackierten Stahlplatte 150 mal 150 cm groß, die in 80 Quadrate, durch graues
4 Quadrate
Klebeband eingerahmt, unterteilt ist. Auf der Platte sind 4 quadratische Elemente angeordnet, die 3 Quadrate in Länge und Breite der Grundplatte einnehmen. In der Gesamtaufteilung bleibt für den Rand und Zwischenraum 1 Quadrat übrig. Das Prinzip der Komposition besteht aus seriellen Strukturen, die man zu allen 4 Seiten erweitern könnte. Der Würfel von Element A ist wie folgt strukturiert: offen innen, offen außen — B: geschlossen innen, offen außen — C: offen innen, geschlossen außen — D: geschlossen innen, geschlossen außen. Das Auge des Betrachters kann diesem System im Uhrzeigersinn,in der Gegenrichtung, diagonal und überkreuzt folgen. Diese einfache modulare Struktur bietet zahlreiche Variationsmöglichkeiten der Wahrnehmung, die der Rezipient durchspielen kann: Offen-geschlossen, posi
tiv-negativ, hell-dunkel, transparent-kompakt, leicht-schwer...
Das kühle Material, die glatte weiß lackierte Oberfläche des Stahls entfaltet seine sinnliche Ausstrahlung nur langsam. Durch die Wiederholung der nüchtern gesetzten gleichmäßigen Elemente steigert sich die Intensität der Arbeit. Sie verweist auf die Korrespondenzen zwischen den Teilen und der Gesamtarbeit, auf das Nebeneinander und Miteinander sowie auf das Verhältnis von Form und Grund im Raum.
Darüberhinaus wird auf das Verhältnis zum Beschauer verwiesen, der auf der gleichen Ebene wie das Kunstwerk steht, da Sol LeWitt seine Arbeiten grundsätzlich ohne Sockel aufstellt. In Punkt 13 seiner Thesen heißt es: „Ein Kunstwerk läßt sich als Verbindung zwischen dem Geist des Künstlers und dem des Betrachters verstehen.“ LeWitt hat sich stets um die Beziehung zwischen dem Kunstwerk und dem Rezipienten bemüht; damit der Besitz seiner Arbeiten nicht nur einer kleinen Gruppe von Kunstkennern zugänglich ist, bietet er Künstlerbücher und Zertifikate mit Informationen über seine Konzepte an. Als ZertifikatkäuferIn könnte der, die LeserIn ein Werk LeWitts ausführen. Es sei denn, die eigenen Ideen wollen sich verwirklichen, denn alle Ideen sind Kunst — Wenn s.o. ..... Christine Breyhan
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen