: Eine Bank, die niemand will
Das Schicksal der BfG-Bank soll auf einer außerordentlichen Hauptversammlung der Aachener Mehrheitseigentümerin AMB verhandelt werden ■ Von Donata Riedel
Normalerweise gilt es als lukrativer, eine Bank zu gründen oder zu betreiben, als sie zu überfallen. Doch auch auf dem Bankensektor gibt es eine Ausnahme von der Regel: die BfG-Bank, die in deutschen Landen niemand mehr haben will. Ihr Mehrheitseigentümer (50 Prozent plus eine Aktie), die Aachener und Münchner Beteiligungsgesellschaft (AMB), möchte die einstmals gewerkschaftseigene Bank für Gemeinwirtschaft möglichst schnell loswerden – an den Crédit Lyonnais (CL), den größten Bankengiganten Europas. Dem Crédit Lyonnais fehlt nämlich in Deutschland noch ein tragfähiges Filialnetz.
Normalerweise pflegt Helmut Gies, Aufsichtsratsvorsitzender des Versicherungskonzerns Aachener und Münchner Beteiligungsgesellschaft (AMB), auch Transaktionen dieser Größenordnung alleine zu entscheiden. Am Montag nachmittag jedoch hat er sein Wahlvolk eingeladen – zu einer außerordentlichen Hauptversammlung, auf der die Aktionäre den geplanten Verkauf der BfG- Bank absegnen sollen. Demonstrativ demokratisch sollen sie außerdem der Aufnahme des neuen französischen Großaktionärs AGF in den Kreis der AMB-Eigentümer zustimmen dürfen – eine Entscheidung, die Gies bereits im Juli getroffen hat (vorbei übrigens am inzwischen zurückgetreten wordenen AMB-Vorstandschef Wolf-Dieter Baumgartl).
Der Verkauf der Bank und der Einkauf von AMB-Aktien durch die AGF hängen eng zusammen, wie die Vorgeschichte der nun anberaumten Hauptversammlung zeigt: Die AGF hatte sich eine Sperrminorität von gut 25 Prozent der AMB-Aktien gekauft, allerdings als sogenannte vinkulierte Namensaktien. Diese müssen eingetragen werden, bevor ihr Eigentümer auf den Aktionärsversammlungen mitstimmen darf. Über Monate hinweg hatte allerdings AMB-Vorstand Baumgartl (damals mit Rückendeckung von Gies) diese Eintragung zu verhindern versucht – bis die AGF (zu 75 Prozent im französischen Staatsbesitz) sich mit dem einzigen Kaufinteressenten für die BfG-Bank, dem CL (zu über 50 Prozent in französischem Staatsbesitz) verbündete.
Die CL-Herren knüpften die Verhandlungen über den Kauf der BfG an die Bedingung, zuvor die AGF-Aktien einzutragen. Gies vollzog dann unter der Drohung, die BfG-Bank möglicherweise behalten zu müssen, „einen Salto mortale“ (manager magazin) auf die Seite der AGF.
Andere als die bisher vorbereiteten Entscheidungen wird die außerordentliche Hauptversammlung im wohlverstandenen kapitalistischen Eigeninteresse kaum treffen können: Die BfG-Bank vermiest seit Jahren die Bilanz ihrer Mutter AMB und schmälert damit auch die Kursgewinn- und Dividendenaussichten der AMB- Aktionäre. 2,5 Milliarden Mark mußte die AMB bereits in die BfG-Bank pumpen.
Helmut Gies (damals Vorstandschef der AMB) hatte 1986 für zwei Milliarden Mark die 50- Prozent-plus-eine-Aktie-Mehrheit von der Gewerkschaftsholding BGAG (die heute 49,5 Prozent an der BfG hält) gekauft. Der 1,68 Meter große „Napoleon von Aachen“ (manager magazin) gefiel sich damals in der Rolle des ersten deutschen Managers, der alle Geldgeschäfte (Versicherungen und Banken, genannt Allfinanz) unter einem Dach anbieten konnte. Vor dem Erwerb der BfG, die nach Neue-Heimat- und Coop- Skandal äußerlich noch als der gesunde Teil des gewerkschaftlichen Unternehmensvermögens galt, hatten damals bereits etliche Bankexperten gewarnt.
Bis 1989 zahlte die BfG zwar Dividende. Doch der Gewinn stammte vor allem aus Immobilien- und Beteiligungsverkäufen. Als der heutige BfG-Vorstandschef Paul Wieandt Anfang 1990 seinen Posten antrat, fand er zwei große Altlasten: 4 Mrd. DM an verlustbringenden Schuldscheindarlehen und 3,92 Mrd. DM an ausstehenden Krediten, die Ländern wie der UdSSR und Bulgarien gewährt worden waren und bis Ende 1991 erst zu 51 Prozent wertberichtigt werden konnten.
Die BfG ist also ein Sanierungsfall. Von den einst 240 Filialen sollen im nächsten Jahr nur noch 180 übriggeblieben, von den 1990 noch 7.350 Beschäftigten 2.400 gegangen sein. Für künftiges Wachstum hofft Wieandt auf eine Kapitalerhöhung von 450 Millionen Mark, die weder die AMB noch die BGAG zahlen wollen, jemand wie „Mr. Eine Mark“ Schiesser nicht zahlen kann, die CL aber wohl zu investieren bereit wäre.
Warum also eine außerordentliche Hauptversammlung, wenn dort ohnehin nichts neu entschieden werden wird? Möglicherweise geht es Helmut Gies ja schlicht um den Erhalt seines Aufsichtsratspostens bei AMB: Auf einer regulären Hauptversammlung könnten Aktionärsgruppen dem Aufsichtsrat wegen des Hin und Her bei der AGF-Eintragung die Entlastung verweigern.
Da hat Gies das Thema wohl lieber im begrenzten Rahmen einer außerordentlichen Hauptversammlung vom Tisch.
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