Mit Hamburgs Bezirken auf du und du
: Bezirksreform: Chance für Demokratie?

■ Bezirksparlamente sind heute nur Scheinparlamente / Erbe der Nazi-Zeit

MIT HAMBURGS BEZIRKEN AUF DU UND DU

Bezirksreform: Chance für Demokratie? Bezirksparlamente sind heute nur Scheinparlamente / Erbe der Nazi-Zeit

Alle vier Jahre wählen Hamburgs BürgerInnen Abgeordnete zu den sieben Bezirksversammlungen Mitte, Altona, Eimsbüttel, Nord, Wandsbek, Bergedorf und Harburg. Fast alle der gut 1,2 Millionen Wahlberechtigten tun dies im Glauben, die von ihnen Gewählten würden die politischen Angelegenheiten auf Bezirksebene regeln und mit der BezirksamtsleiterIn eine Art BezirksbürgermeisterIn wählen. Können 1,2 Millionen irren?

Sie können. Die Bezirke sind in der Hamburger Verfassung nicht einmal erwähnt. Sie sind vom Senat geschaffene „Verwaltungseinheiten“, die jederzeit aufgelöst, abgewertet, aufgewertet oder in ihren Grenzen verändert werden können. Die Bezirksversammlungen sind keine Stadtteilparlamente, sondern ehrenamtliche Gremien, die gegenüber der vom Senat strikt gesteuerten Bezirksverwaltung nur einige wenige Rechte besitzen. In strittigen Fragen haben Senat oder Fachbehörde immer das letzte Wort.

Dies gilt auch für die Wahl der BezirksamtsleiterIn. Zwar darf die Bezirksversammlung sie wählen — ob sie es wird, liegt jedoch allein in der Hand des Senats. Im Konfliktfall kann der Senat eine BezirkschefIn auch einfach einsetzen. Damit sind sie, nüchtern betrachtet, schon heute vom Senat autorisierte VerwaltungschefInnen der Bezirksprovinzen des Senats.

In Hamburgs Verfassung von 1921 sah das noch ganz anders aus: Neben der Kernstadt Hamburg tummelten sich drei Kleinstädte (Bergedorf, Geesthacht und Cuxhaven) und 27 Landgemeinden. Die preußischen Städte Altona, Harburg-Wilhemsburg und Wandsbek waren noch selbständig. Hamburgs Politikalltag prägte eine lebendige und umfassende bürgernahe Selbstverwaltung. Der gesamte Verwaltungsaufbau war freilich ein bißchen chaotisch. Damit räumten die Nazis 1933 gründlich auf. Die gemeindliche Selbstverwaltung wurde abgeschafft, die Hamburger Verwaltung zu einem straff geführten zentralistischen Bürokratenapparat, perfekt durchgestylt nach dem „Führerprinzip“. Das Groß-Hamburg-Gesetz von 1937 schluckte die preußischen Nachbarstädte Altona, Wandsbek und Harburg — es entstand eine hierarchisch-zentralistische Verwaltung, die ihre neugewonnene Schlagkraft in den folgenden Jahren nachdrücklich unter Beweis stellen konnte.

Die Nachkriegsverfassung Hamburgs beseitigte zwar einige Auswüchse der Führerverwaltung — die Entrechtung der gemeindlichen Ebene aber blieb. Dafür wuchs das Chaos: Die komplexen Probleme einer Metropole des ausgehenden 20. Jahrhunderts konnte der aufgeblähte Hamburger Apparat nicht mehr angemessen bewältigen. Seit den 70er Jahren ist unter Fachleuten unumstritten, daß Hamburgs Verwaltung dezentralisiert, die untere Ebene gestärkt werden muß. Die von vielen BürgerInnen und ExpertInnen geforderte Kombination von Dezentralisierung und Demokratisierung scheiterte jedoch bislang immer an der Weigerung des Senats, Macht abzugeben, bürgernahe Demokratie zuzulassen.

Der heute im Senat diskutierte Entwurf eines neuen Bezirksverwaltungsgesetzes bleibt knallhart auf dieser Linie: Ein bißchen mehr an Dezentralisierung von Verwaltungsarbeit wird begleitet von einem deutlichen Abbau der bisherigen bezirklichen (Schein-)Demokratie und dem Aufbau eines neuen zentralistischen Kontrollapparates, mit dem die Bezirksverwaltungen stärker als bisher an die Leine genommen werden können. Gleichzeitig wird den Bezirken jede Mitsprache bei Landesangelegenheiten genommen und die Scheinwahl der BezirksamtsleiterIn entfällt. Florian Marten