: Gesellschaftenpoker um Recycling-Höfe
■ Arbeitsressort will Jugendwerkstätten als Träger für Recyclinghöfe erhalten / Umweltressort will selbständige GmbHs
Arnold Knigge fühlt sich falsch verstanden. „Wir wollen die Recycling-Höfe nicht plattmachen“, erklärte der Staatsrat im Arbeitsressort gestern. Mitarbeiter der Recyclinghöfe hatten diesen Vorwurf am Dienstag auf einer Protestaktion vor der Bürgerschaft erhoben. Knigge: „Was wir derzeit versuchen, ist, einen der größten Beschäftigungsträger über eine Durststrecke zu retten.“
Es tut sich etwas im Arbeitsfeld Recycling. Im August letzten Jahres hatte der Senat die Ressorts Umwelt, Arbeit und Soziales beauftragt, die Struktur der Recyclinghöfe neu zu organisieren. Die leben derzeit hauptsächlich von ABM-und BSHG-Kräften. Der Senat fand schon im August letzten Jahres, daß das eine sehr unsichere Basis sei. Drei der fünf Recyclinghöfe werden derzeit von den Jugendwerkstätten Bremen (JWB) getragen, einer vom Arbeitslosenzentzrum Bremen-Nord und einer von der Gröpelinger Recycling-Initiative.
Lange hatte es so ausgesehen, als sollten die Recyclinghöfe der Jugendwerkstätten in zwei neuen Gesellschaften zusammengefaßt werden. Die eine Gesellschaft sollte die gewerblichen Arbeit abwickeln und das Geld verdienen: Durch Wertstoffsammlung, durch den Betrieb der Annahmezeilen und als Subunternehmer der Bremer Entsorgungsbetriebe. Eine zweite, gemeinnützige Gesellschaft sollte als Beschäftigungsträger weiter ABM-Stellen und BSHG-19-Kräfte beschäftigen. Alles, was bei den Jugendwerkstätten nicht in diese beiden Gesellschaften paßte, sollte dort bleiben. Dieser Vorschlag wurde federführend im Umweltressort ausgearbeitet.
„Nach dem ABM-Bewilligungsstopp war dieses Modell aber nicht mehr durchführbar“, erklärte Arnold Knigge gestern. Ohne den Recycling-Bereich, so die Befürchtung im Arbeitsressort, haben die Jugendwerkstätten ihre Existenzgrundlage verloren. Deshalb hat man sich im Uhlschen Hause im März darangesetzt, einen eigenen Vorschlag zur Umgestaltung der Recyclinghöfe zu machen. Der sah vor, daß die Jugendwerkstätten Bremen zum 1.7. diesen Jahres ins
Von ABM zu GmbH: Recyclinghof FindorffFoto: Jörg Oberheide
gesamt als GmbH geführt werden, auf gemeinnütziger Basis. Diejenigen Bereiche, die innerhalb des Entsorgungssystems Regelaufgaben übernommen hatten, sollten einfach an die Bremer Entsorgungsbetirebe (BEB) angeschlossen werden.
Beide Vorschläge lagen am letzten Dienstag auf dem Tisch im Senatssaal des Rathauses, das Thema wurde aber von der Tagesordnung genommen und sollte noch am gleichen Abend im Koalitionsausschuß behandelt werden. Der aber war ausgefallen, der Konflikt hing in der Luft: Das Umweltressort wollte sich in seinem Eigenbetrieb BEB nicht die ABM-Stellen ans Bein binden lassen, das Arbeitsressort wollte sich nicht die lukrativen Recycling-Bereiche abschwatzen lassen. Nach Angaben von Knigge ist aber am letzten Dienstag abend noch ein Kompromiß zwischen beiden Ressorts zustande gekommen.
Der sieht so aus: Die Jugendwerkstätten Bremen beenden ihr Dasein als Verein und werden vom 1. Juli an als gemeinnützige Gesellschaft weitergeführt. Dafür würden sie nicht nur die Werkstätten mit den Bereichen Textil, Holz und Metall behalten, sondern auch den Bereich Recycling. Beide Bereiche würden inhaltlich getrennt, aber unter einer Geschäftsführung be- aufsichtigt. Die Gesellschaft fungiert weiter als Träger für ABM
hier bitte
die Jungs mit
den Tonnen
und BSHG-19-Maßnahmen. Dieser Schritt würde auch bedeuten, daß der bisherige Geschäftsführer der Jugendwerkstätten, Christian Weber, seinen Job aufgeben muß. Er ist nämlich auch SPD-Abgeordneter in der Bremer Bürgerschaft: „Es gilt allgemein, daß Mitglieder der Bürgerschaft nicht Geschäftsführer landeseigener Gesellschaften sein können“, erklärte dazu der Sprecher des Arbeitsressorts, Jörg Henschen.
Weiter gehört zum Kompromiß: Die gewerblichen Arbeiten im Recycling-Bereich werden in einer eigenständigen Gesellschaft zusammengefaßt. Dazu gehören beispielsweise die Bündelsammlung und der Betrieb der Annahmezellen vor Ort bei den Recyclinghöfen.
Die Betroffenen sind von dem Kompromiß recht angetan. Der Projektleiter der Recyclinghöfe bei den Jugendwerkstätten, Ekkehard Gerad, erklärte: „Uns geht es vor allem um eine schnelle Entscheidung. Wenn wir als Recyclinghöfe unter den Jugendwerkstätten als Träger weiter die Möglichkeit haben, eigenständig Mitarbeiter zu beschäftigen, ist uns das recht. Voraussetzung ist aber eine Absicherung unserer festangestellten Anleiterkräfte.“ Dagmar Lillvom Vereinsvorstand Jugendwerkstätten: „Unser Ziel, den Bereich Recycling als Träger zu halten, wäre mit diesem Vor
schlag umgesetzt. Da wären wir zufrieden.“ Und auch die Umweltbehörde signalisiert Zustimmung. Dort hat man die Vorstellungen des Arbeitsressorts „grundsätzlich bestätigt“, sagte ein Sprecher des Staatsrates: „Ein Kompromiß in dieser Richtung zeichnet sich ab.“
Wenn da nicht noch die Finanzierungsfrage wäre. Einiges Geld ist vorhanden: Vom Gesundheitssenator etwa 500.000 Mark über Komplementärmittel zum BSHG-19 Programm, vom Umweltsenator für Betriebskosten- und Investitionszuschüsse, vom Wirtschaftssenator aus dem Wirtschaftspolitischen Aktionsprogramm WAP knapp 300.000 und vom Finanzsenator aus den Rückflüssen der zum 30.6 zu schließenden Bremer Ausbildungswerkstätten: Etwa eine halbe Millionen. Aber die Umstrukturierung der Jugendwerkstätten kostet Geld. Und deshalb erwartet Staatsrat Knigge Widerstand auch eher vom Finanzsenator. Denn der Zuschußbedarf für das Gesellschaftenkonstrukt liegt zwischen 600.000 und einer Millionen Mark. Am kommenden Montag soll im Koalitionsausschuß das Paket „Recyclinghöfe und Jugendwerkstätten“ für den Senat vorgekaut werden. mad
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