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Investoren blasen zum Rückzug

■ Hertie-Quarree Ottensen: Büll & Liedtke will offenbar aussteigen / Ausgehandelter Kompromiß zu teuer / Regreß vom Senat

: Büll & Liedtke will offenbar aussteigen / Ausgehandelter Kompromiß zu teuer / Regreß vom Senat

Ist das Ende für das HertieQuarree in Ottensen besiegelt? Anzeichen deuten daraufhin, daß sich die Investorengruppe Büll & Liedkte (B & L) aus dem umstrittenen Projekt zurückziehen will und nur einen günstigen Anlaß für den Absprung sucht. Hamburgs Senatssprecherin Jutta Köhn zur taz: „So etwas habe ich auch schon gehört.“

Offenkundig ist, daß B & L zur Offensive gegen die Stadt bläst. So kündigte der Firmensprecher Dr. Peter Voß an, daß sie den im vorigen Jahr auf Druck des Senats mit dem Jerusalemer Oberrabbiner Jitzschak Kolitz ausgehandelten Kompromiß nicht einhalten, sondern den umstrittenen Konsumpalast nach alten Bauplänen hochziehen wollten. Statt wie vereinbart auf Ausschachtungen zu verzichten, soll nun auf dem Terrain, in dessen Grund noch Gebeine von jüdischen Toten liegen, doch eine Tiefgarage ausgehoben werden. Als Begründung führt Voß an, daß die Stadt ihren „vertraglichen Verpflichtungen“ nicht nachgekommen sei: „Es ist nicht einzusehen, warum die Kosten der von der Stadt gewünschten Lösung nur von Privatinvestoren gezahlt werden müssen.“ B & L stützt seine Regreßansprüche in Höhe von rund 30 Millionen Mark auch darauf, daß Hamburg seiner Zusage aus dem Jahr 1953 nicht nachgekommen sei, die Gebeine aus Ottensen auf den Ohlsdorfer Judenfriedhof umzubetten. Damit sei die Stadt ursächlich für den entstandenen Schaden verantwortlich.

Im Rathaus hält man die Attacke für „unerklärlich“. Jutta Köhn: „Die Verhandlungen laufen doch noch.“ Und auch für Altonas Bezirksamtsleiter Hans-Peter Strenge ist die Ankündigung der Investoren, im Juni notfalls auch gegen den massiven Widerstand von orthodoxen Juden mit den Ausschachtungsarbeiten zu beginnen, eine leere Drohung. Strenges Kommentar: „Meiner Meinung nach ist das nur Begleitmusik für die Senatsverhandlungen.“ Denn das Unternehmen habe zwar eine Baugenehmigung, doch gegen diese gäbe es Widersprüche und „Wirksamkeitsvorbehalte“, so daß sie nicht vollziehbar ist. „Ich glaube nicht, daß sie die alte Lösung tatsächlich realisieren wollen“, winkt Strenge ab.

Für den Bezirksbürgermeister ist es daher auch denkbar, daß sich das Unternehmen ganz aus dem Projekt zurückziehen will. Denn durch jüngst in Ottensen eröffneten Zeise-Kinos droht das von B & L geplante Kino-Center im

Hertie Quarree zur Fehlinvestition

zu geraten. Zudem hat sich die Investorengruppe offenkundig schon längst umorientiert und möchte jetzt ein Kino-Center an den Landungsbrücken errichten. Für

Strenge ist jedoch ein Rätsel, wie

der Rückzug vollzogen werden könnte: „Dann müßte ja eigentlich das Gelände an Hertie zurückgegeben werden.“ Alternative: B & L bietet das Grundstück zum Kauf an.

Ob allerdings mit einem Gelände,

auf dem sich ein jüdischer Friedhof und eine asbestverseuchte Kaufhausruine befinden, noch ein Reibach zu machen ist, darf hinterfragt werden. Kai von Appen

Siehe auch Bericht Seite 4

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