piwik no script img

Thema Aids in der Kirchengemeinde

■ Theaterabend über Aids von der Gruppe Lubrikat in der Altonaer Friedensgemeinde „To be here without you“ — Hommage an einen gestorbenen Tänzer

Ein Musiker, eine Tänzerin, ein Sprecher, eine Sängerin — Red, Blue and Yellow, ein Theaterabend über Aids in der Gemeinde des engagierten Pastors Christian Arndt mit dem sehnsüchtigen Untertitel „If you were still around — Hommage an einen Freund“. Die Sängerin aber fehlt beim ersten Hamburger Auftritt in der Friedensgemeinde in Altona. Silvia Kesselmann hatte einen Unfall, ihren Gesangspart übernehmen die zwei Männer. Es geht auch so.

Armin Dallapiccola, Tänzer und Schauspieler, spricht unterkühlt, geht, steht, in betont schlichten, gelegentlich verkrampften Haltungen. Er spricht Texte, die von der Mutter des an AIDS gestorbenen Tänzers Uwe stammen können, oder von einem Freund, sicher aber von einem Menschen, der ihm nah war.

Die Texte sind das eigentliche Kunststück des Abends. Regisseur Dierk Cieslak hat sie herausgefiltert aus Gesprächen mit den Eltern des Tänzers Uwe Wenzel. Gerade, schnörkellose Sätze, unsentimental, nie peinlich oder banal, Erinnerungen an einen Menschen, der gerade 30 Jahre gelebt hat, plötzlich nicht mehr da ist.

Die Tänzerin im grünen Kleid (Sygun Schenck), mit harschen Bewegungen, so als gehörten ihr die Arme nicht mehr, wirft mal kecke, mal verführerische Blicke, dann klappt sie jäh zusammen. Matthias Botsch am Klavier spielt beschwingende Klassiker, singt zart dazu (statt der Sängerin), bläst ins Saxophon, weckt Träume von der seligmachenden Kraft der Liebe One day he'll come along....

Hinweise auf die seit zehn Jahren wieder grauenhaft präsente Verknüpfung von Sexualität und Tod bleiben rar. Am Erschreckendsten die Tatsachen auf den von Matthias Bender aufgestellten Schautafeln im einigermaßen ungemütlichen Saal der Gemeinde. Unter einem sich dem Betrachter entgegenwölbenden Christus der Text: „prognosis: untreated, progression into bilateral blindness within six months.“ Ein Mensch stirbt.

Dallapiccola fesselt mit jedem seiner distanziert gesprochenen Worte. Nach Uwes Tod erinnert sich die Mutter an den kleinen Jungen, wie er verblüffenderweise eine Zeile aus Max und Moritz wiederholt: „Ritzratze voller Tücke in die Brücke eine Lücke“. Dallapiccola erzählt die Geschichte vom Schneidermeister Böck bis zum guten Ende. Dann geht das Licht aus.

Heutzutage haben Geschichten selten ein gutes Ende, besonders, wenn sie wahr sind. Draußen kann man sich eindecken mit Broschüren über AIDS. Nach der Uraufführung beim Aids-Kongress in Berlin holte der Kirchenkreis Altona anständigerweise Red, Blue and Yellow in die Kirche.

Ulrike Kahle

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen