: Anschläge und „Sonnwendfeiern“
■ Zwei Asylbewerber verletzt / „Sonnwendfeiern“ teilweise verhindert / Union für schärfere Jugendstrafen und Sicherungshaft
Berlin (taz/dpa) – Bei einem Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim in Raisdorf bei Kiel wurden in der Nacht zum Samstag zwei Bewohner verletzt. Ein Jugoslawe zog sich auf der Flucht durch ein Fenster Schnittwunden zu, ein zweiter Bewohner erlitt eine Rauchvergiftung.
Ebenfalls in der Nacht zu Samstag verübten Unbekannte in Rüsselsheim einen Brandanschlag auf die im Bau befindliche Unterkunft für AsylbewerberInnen im Stadtteil Haßloch. Dabei entstand ein Sachschaden von mehr als 100.000 DM. Rund 300 Menschen beteiligten sich an einer Mahnwache vor dem ausgebrannten Rohbau. Aus Antifa-Kreisen wurde dem Rüsselsheimer Oberbürgermeister Norbert Winterstein ( SPD) eine Mitverantwortung für den Anschlag angelastet. In einem ZDF- Feature über Rüsselsheim hatte Winterstein behauptet, daß die wenigen Rechtsradikalen in der Stadt „Angst“ hätten, einen Anschlag zu verüben, weil es in der Stadt eine ausgezeichnet funktionierende multikulturelle Infrastruktur gebe.
Von den beiden Killern, die am Donnerstag im westfälischen Dülmen einen 41jährigen Kurden erschossen hatten, fehlte am Sonntag jede Spur. Rund 2.000 Menschen protestierten am Samstag in Dülmen mit einem Schweigemarsch gegen das Verbrechen.
Die Veranstalter einer „Sonnwendfeier“ in Mainz sagten die Versammlung über ein bundesweit abrufbares Info-Telefon ab, nachdem das Oberverwaltungsgericht ein Verbot der Stadtverwaltung bestätigte. Eine Gegendemonstration mit 150 Teilnehmern verlief friedlich. Die Polizei riegelte mit einem massiven Aufgebot den geplanten Veranstaltungsort, eine Gärtnerei, ab und kontrollierte Autofahrer bereits auf den Zufahrtsstraßen. Dabei stellte sie Schreckschuß- und Gaspistolen, Schlagstöcke und Gummiknüppel sicher.
Am Bützsee im Kreis Neuruppin löste die Polizei eine „Sonnenwendfeier“ von rund 200 größtenteils uniformierten Rechtsradikalen auf. 18 mutmaßliche Neonazis seien festgenommen worden. Von weiteren 90 Personen seien die Personalien festgestellt worden. Unter anderem seien Messer, Baseballschläger, ein Schlagring, eine Luftdruckpistole und eine Fahne sichergestellt worden.
In Königs Wusterhausen bei Berlin konnten dagegen rund 500 rechte Jugendliche zu den Klängen der Gruppe „Kahlkopf“ ihre als Geburtstagsfeier angemeldete „Sonnwendfeier“ durchziehen. Berliner Antifa-Gruppen waren zum Schutz der Villa „Kunterbunt“ in Zeesen und eines Asylbewerberheims angereist. Bei zwei alkoholbedingten Verkehrsunfällen wurden neun Teilnehmer der „Sonnwendfeier“ verletzt.
Nach einer „Dokumentation rechtsorientierter/fremdenfeindlicher Gewalttaten im Freistaat Sachsen“, über die der Spiegel berichtet, wird Gewalt gegen Ausländer zunehmend von ganz normalen Jugendlichen verübt. Das Dresdner Landeskriminalamt hat Aussagen von 1.244 Beschuldigten ausgewertet. Von ihnen waren nur 68 Mitglieder rechtsextremer Organisationen oder Parteien. Nur 29 Prozent gaben eine „rechtsgerichtete Einstellung“ zu, 56 Prozent würden als Mitgläufer eingestuft.
Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird am Dienstag ein „Sofortprogramm gegen Gewalt und Extremismus“ beschließen. Zu den Schwerpunkten gehöre die Verschärfung von Jugendstrafen bei extremistischen Gewalttaten, berichtete die Welt am Sonntag. Dem Sofortprogramm zufolge sollen unter anderem Schläger und Brandstifter künftig generell in Untersuchungshaft genommen werden. Wiederholungstäter, die zum Krawall von einer Stadt in die andere reisen, sollen in Sicherungshaft genommen werden.
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