: Paris eröffnet Hatz auf „Illegale“
■ Französische Abgeordnete verschärfen Innenminister Pasquas ausländerfeindliche Gesetzesprojekte / Nachzug wird erheblich erschwert
Paris (taz) – „Wir alle sind Kinder von Einwanderern.“ Unter dieser Parole haben am Samstag in Paris 20.000 Menschen gegen die ausländerfeindliche Politik von Innenminister Charles Pasqua demonstriert. Auch in anderen Städten gab es Proteste.
Doch die Reaktion der Demonstranten, die dem Aufruf von rund 100 Vereinen, Gewerkschaften und linken Parteien gefolgt sind, kommt spät: Die Nationalversammlung hatte das „Gesetz zur Beherrschung der Immigration“ bereits am Vorabend in erster Lesung mit den 480 Stimmen der Konservativen gegen die 88 Stimmen der Sozialisten und Kommunisten verabschiedet. Die beiden anderen Gesetzesprojekte, die das Leben der AusländerInnen in Frankreich erschweren werden, sind von der konservativen Mehrheit schon längst debattiert, verschärft und in erster Lesung bejaht worden. Noch vor der Sommerpause dürften somit die Einbürgerung erschwert und die Befugnisse der Polizei zu Personenkontrollen erheblich ausgeweitet werden.
Indem sich die Regierung gleich im ersten Quartal ihrer Amtszeit mit drei Reformen auf die Einwanderer gestürzt hat, gibt sie den Bürger Innen ein eindeutiges Signal: Seid mißtrauisch, hinter jedem Ausländer könnte sich ein Betrüger verbergen. So wird die Polizei in Zukunft noch stärker als bisher zur Jagd auf AusländerInnen ohne gültige Papiere eingesetzt. Dabei haben die Abgeordneten durchgesetzt, daß sich die Polizisten auf jedes Indiz stützen können, welches auf einen Ausländer schließen läßt – ausgenommen „die rassische Zugehörigkeit“. Nicht die Hautfarbe, aber das Lesen von Jeune Afrique in der Metro wäre dann ein solches Indiz.
Auch das Gesetzesprojekt zur Einwanderung hat vor allem die Jagd auf die clandestins, die Illegalen, zum Ziel: Es gibt der Verwaltung und den Bürgermeistern erhebliche Vollmachten, damit sie die auf etwa drei Millionen geschätzten „illegalen“ Ausländer Innen in Frankreich aufspüren und ausweisen können; zudem soll es die Zahl derjenigen reduzieren, die bislang noch ein Recht auf Einreise hatten wie Familienangehörige, Ehepartner von Franzosen und Student Innen.
Ein Beispiel: Ein Immigrant darf Frau und Kinder demnächst nur noch nachholen, wenn er bereits zwei Jahre in Frankreich gearbeitet hat und sein Einkommen nicht zu gering ist; die Familie darf dann in der Regel nur auf einmal einreisen. Der Bürgermeister seiner Gemeinde hat zuvor das Recht, sich für oder gegen die Familienzusammenführung auszusprechen – eine kleine Wohnung wäre ein Argument gegen den Nachzug. StudentInnen dürfen ihre Ehepartner grundsätzlich nicht nachholen. Bei einer Scheidung verliert der Partner – also meistens die Frau – das Aufenthaltsrecht. In einem Aufwasch nimmt sich das neue Gesetz auch Asylbewerber vor, als sei das Asylrecht ein Aspekt der Immigration: In Zukunft soll das Innenministerium (über Präfekten und Grenzpolizisten) ein Asylbegehren gleich an der Grenze als „unbegründet“ zurückweisen können.
Die Abgeordneten, von denen viele noch weiter rechts stehen als der Innenminister, haben die Vorlage in mehreren Punkten verschärft. Da es der Verfassung widerspräche, die Heirat zwischen einem Franzosen und einem Ausländer ohne gültige Papiere ganz zu verbieten, haben sie zumindest durchgesetzt, daß der Ausländer in diesem Fall nicht mehr Franzose werden kann. Bürgermeister können die Justiz einschalten, wenn sie dem Paar eine Scheinhochzeit unterstellen. Mischehen kommen damit in den Geruch der Illegalität.
Ebenso verspätet wie die Demonstrationen und eher kleinlaut erscheint die jüngste Reaktion von Sozialministerin Simone Veil und Justizminister Pierre Mehaignerie: Die beiden Zentrumspolitiker haben am Samstag bekanntgegeben, daß sie Regierungschef Balladur jetzt „mündlich“ um „positive Maßnahmen“ zur Integration von Immigrantenkindern gebeten haben. Zugleich distanzierte Simone Veil sich erstmals öffentlich vom restriktiven Charakter der Gesetze. Bettina Kaps
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen