: Neigung zum Spiel ohne Grenzen
■ Wem gehört was in Europa – Datenreport in Sachen Medienkonzentration
Im Fußball gibt es sie seit der vorletzten Saison, die premier league, die Meisterklasse auf europäischer Ebene sozusagen. Viel älter dagegen ist Europas Oberliga im Medienbereich: Mit Namen wie Kirch, Hersant, Murdoch oder Berlusconi (ihm gehört übrigens auch der Kicker-Club AC Mailand) verbinden sich mittlerweile Synonyme wie Pressezar oder Medienmogul. Abgesehen von dieser Handvoll Familiennamen ist es um den öffentlichen Informations- und Kenntnisstand, was die Unternehmensverflechtungen in der europäischen Medienszene betrifft, eher dürftig bestellt.
Dieses Dilemma war für das Europäische Medieninstitut in Düsseldorf Anlaß für eine umfangreiche Studie. Für die Bereiche Tageszeitung, Hörfunk und Fernsehen präsentierte das internationale Forschungsteam um den Spanier Alfonso Sanchez-Tabernero jüngst auf dem Medienforum NRW einen dicken Datenreport – immerhin wurden aus 17 Ländern Daten und Fakten aus den Jahren 1975 bis 1990 gesammelt.
Wer nun auf klar erkennbare Trends und schlagzeilenträchtige Befunde gehofft hatte, den mußte der Medienwissenschaftler von der Universität Bilbao enttäuschen: „Die Entwicklung ist viel zu uneinheitlich, da es auch unterschiedliche Rahmenbedingungen gibt.“ So können sich die Leser in südeuropäischen Staaten wie Portugal, Spanien oder Griechenland heute über mehr Tageszeitungen freuen, während es in Ländern mit großer Pressetradition wie England, Frankreich oder Skandinavien ein „Zeitungssterben“ gibt. Im Hörfunkbereich, so Sanchez-Tabernero, müsse dank der kommerziellen Anbieter eher von einer Dekonzentration gesprochen werden – wohl nicht mehr allzulang, da es unter anderem in Italien, Frankreich, Spanien oder auch in der Bundesrepublik zunehmend zur Bildung von machtvollen Networks kommt.
An Bedeutung gewinne auch das grenzüberschreitende Engagement großer Verlage, so die Einschätzung von Horst Röper, der hierzulande wohl den größten Durchblick beim medialen „Wer gehört zu wem“-Monopoly hat: „Diese Bewegung ist nicht mehr aufzuhalten.“ So hat sich der Hamburger Gruner + Jahr-Verlag auf dem französischen Zeitschriftenmarkt „mindestens“ als die Nummer zwei etabliert. Dick drin im Geschäft in Spanien ist beispielsweise der Motorpresse-Verlag aus Stuttgart. Und Osteuropa haben einige Verlage verstärkt ins Visier genommen.
Diese „Feldzüge“ wird die Europäische Gemeinschaft in Brüssel kaum stoppen können. Ohnehin hat sich die EG-Kommission im vergangenen Jahr zum ersten Mal mit der Verflechtung im Medienbereich beschäftigt – zehn Jahre nachdem das Europaparlament einen entsprechenden Antrag gestellt hatte. Noch hat der zuständige Abteilungsleiter Ulf Brühann, wie er auf dem Medienforum einräumte, keinen Dreh gefunden, wie er die europaweite Multi-Media-Konzentration anpacken soll.
Fraglich sind die Erfolgschanchen von Sanchez-Taberneros Vorschlag, Beteiligungsobergrenzen festzulegen. Die gleiche Idee hatte schon die Günther-Kommission in den sechziger Jahren, um die bundesdeutsche Pressekonzentration einzudämmen. Gescheitert ist die Kommission am Widerstand der Verleger. Das Ergebnis ist bekannt: Heute beherrschen fünf Verlage mehr als 40 Prozent des Tageszeitungsmarktes. Ralf Köpke
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