Männliche Profs sind schlechte Dozenten

...meinen 30.000 Studierende der Technischen Universität / Bei der Evaluierung der Lehre schneiden Frauen durchweg besser ab / An der politischen Umsetzung der Ergebnisse hapert es  ■ Von Christian Füller

„Das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler wird daher durchaus ein anderes als vorher“, schrieb der alte Wilhelm von Humboldt anno 1809. Er meinte – von seiner, der neuen Universität sprechend – eine Gemeinschaft von Lehrenden und Lernenden, gleichberechtigt im Gespräch, sich wechselseitig anspornend. Heutzutage ist das Verhältnis durchaus wieder das alte. Eine völlig „entfremdete Lehr- und Lernsituation“ gibt es häufig in den großen Vorlesungen des Grundstudiums, die zu einer „frappierenden Erosion der Studierenden“ führt. Das belegt eine Studie zur Situation der Lehre an der Technischen Universität. Der Erhebung liegen die Einschätzungen 30.000 befragter StudentInnen zugrunde. Der Bildungssoziologe Rüdiger Preißer legte damit die erste systematische Untersuchung der Lehrqualität an einer deutschen Universität an.

Wichtiges Ergebnis der Studie ist eine „Kunstfigur“ (Preißer), die wohl manchem Studierenden gar nicht so fremd ist: Der schlechteste Dozent sei der „männliche Professor, der im Grundstudium lehrt“. Das liest Preißer aus den von ihm per Fragebogen erhobenen Meinungsäußerungen der Studierenden heraus. Ganz anders ist dagegen die Reaktion auf Dozentinnen: Die weiblichen Professorinnen motivierten besser zur Mitarbeit, sie erkundigten sich, ob der Stoff bei den Studierenden angekommen sei. Vor allem aber: Die Professorinnen und Dozentinnen „lassen die Studierenden eher zu Wort kommen und reden sie nicht tot“. Was viele Studis täglich erfahren, hat Rüdiger Preißer damit wissenschaftlich untermauert.

Den Befragungen ist etwa zu entnehmen, daß die Professoren zu viel Wissen transportieren wollen. Sie mißachteten dabei, so Preißer, daß Lernen eine „soziale und kommunikative Dimension“ habe. Diese sei genauso wichtig wie die fachliche. Neben der Stoffvermittlung sei es von erheblicher Bedeutung zu lernen, wie man lernt. Als Alternative zum schnöden Lehralltag nannte der Bildungssoziologe Preißer das „exemplarische Lernen“. Außerdem sollten DozentInnen die Gruppenbildung von Studierenden fördern. Ein anderer Trumpf liegt in der „Eigenaktivität der Studenten“. In der Befragung schätzten die Studierenden den Lerneffekt von selbstbestimmten Seminaren durchweg höher ein als den von Vorlesungen oder Übungen.

Die Professoren drückten sich

Die Professoren scheinen das geahnt zu haben. Ihre Beteiligung an der Pilotstudie lag nur zwischen 5 und 40 Prozent. Welche Lehre zieht die TU aus der schlechten Lehre? Sie werde die von Preißer entwickelte Methodik der Studie nun in den Fachbereichen einsetzen, sagte der Vorsitzende der Kommission für Lehre und Studium, Bernd Mahr. Wie viele Befragungen ein Student dann über sich ergehen lassen muß, konnte er aber nicht sagen. „Das ist unklar“, meinte er bei der Vorstellung der Studie im Beisein des TU–Präsidenten. „Ich habe Angst, daß das Instrument sich verselbständigt“, kommentierte Rüdiger Preißer.

Aber nicht nur das rief Skepsis hervor. „An der politischen Umsetzung der Ergebnisse hapert es“, kritisierte der Student Ulrich Gminder. Den Studis fehle die Macht, um gegen die schlechten Professoren vorzugehen. Viele Studis, so Gminder, würden sich „Sanktionsmaßnahmen wünschen“. Doch die bei der Auswertung anwesenden Professoren gossen reichlich Konsensmilch über die kritischen Äußerungen von Preißer und Gminder. „Es kommt nicht so sehr darauf an, was, sondern daß gefragt wird“, meinte der Physikdekan Jürgen Sahm. Wenn von den Studierenden die schlechte Lehre angeklagt werde, dann gebe es auch eine Debatte darüber. Jedenfalls in seinem Fachbereich sei das so, versicherte Sahm. Der Preißersche Fragebogen werde in der Physik nun erstmalig mit Sofortauswertung angewandt. Das bedeutet, daß bereits eine halbe Stunde nach Einsammeln der Fragebögen das Ergebnis vorliegt. Es gibt nämlich Lesegeräte, welche die erhobenen Daten auswerten und graphisch aufbereiten. Aber dieses Verfahren ist an der TU, obwohl dort entwickelt, noch gar nicht möglich. Die Lesegeräte für die Fragebögen hat die Uni noch nicht angeschafft.